Ich und mein Kobe-Steak

Für meine Japan Reise habe ich mir nicht viel vorgenommen, aber in Kobe eines der sagenumwobenen Steaks zu verdrücken, war eines der wichtigsten Ziele. Doch ebenso, wie sich meine Vorfreude im Lauf meiner Reise immer mehr aufgebaut hat, will ich auch beim Berichten erst einmal Klein anfangen. Nach einer herrlichen Nacht im Lamp no yade (Im heißen Wasser den Kopf in den Nacken zu legen und da nur Sterne zu sehen hat was) stellten wir uns am Morgen einem traditionell japanischen Frühstück. Als politisch korrekte Touristen wollten wir landestypisch den Tag beginnen, doch so sehr ich mich bemühe, an allem etwas tolles zu finden, ein Jünger des japanischen Frühstücks werde ich nicht. Selbst die schönste Präsentation – optisch war das Essen wie immer eine Meisterleistung – macht aus den Zutaten nichts anderes. Und roher Fisch, ein halbrohes, in Sojabrei schwimmendes Ei, diverse kleine Tintenfische samt Tentakeln, Reis trockenen Algen und ein paar Töpfchen mit undefinierbarem Schleim kommen am Abend noch einigermaßen erfreulich daher, aber für meinen empfindlichen Morgen-Magen war das eine harte Herausforderung. Irgendwann zwischen dem halbrohen Ei und ein paar Tentakeln machte mein Bauch ein paar unruhige Sprünge, und ich nahm die seelischen Qualen eines nicht leergegessenen Tellers in Kauf, da Rückwärtsessen bei Tisch noch schlechter gewesen wäre.


Diese gefalteten Papiertiere leisteten uns am Bahnhof von Anizuma Gesellschaft.

Anschließend brachte uns das ältere Ehepaar zum nächsten Bahnhof. Ein Gastgeschenk unsererseits lehnten sie strikt ab, und wir mussten ziemlich kämpfen, um nicht auch noch ihren Regenschirm als Geschenk zu bekommen. Wir waren im Onsen bereits eine halbe Sensation, da dieses Hotel ein sehr exklusiver Rückzugsort für besserverdienende Japaner ist, und wir abgekämpft mit unseren Rucksäcken dort eingetroffen waren. Die selbe Reaktion riefen wir dann in Kobe hervor, als wir frohgemut gegen 18:00 mit unserem schweren Gepäck im Kreuz in die Lobby des Kobe Crown Plaza Hotels einrückten.


Die Lobby des Kobe Crown Plaza. Da ein Dreibettzimmer kaum teurer als eine Jugendherberge ist, fiel uns die Wahl nicht schwer.

Zwischen den in feine Anzüge gepackten Geschäftsleuten wirkten wir in der riesigen Empfangshalle ziemlich fehl am Platze. Mit typisch japanischem Understatement wurden wir zu unserem Zimmer im 29sten Stock gebracht, wobei sich der Angestellte noch mehrfach dafür entschuldigte, dass unsere Unterkunft so bescheiden sei. Klar, gute 30 m², ein komplettes Unterhaltungsset aus Fernseher, Computer und Spielekonsole, Minibar und Panoramablick sind lausig für umgerechnet 40 € pro Nase…


Die Aussicht aus unserem Zimmer. Da lassen wir nochmal Gnade vor Recht ergehen…

So, langsam neigt sich das Vorspiel dem Ende zu. Ich empfehle sehr, den folgenden Teil nicht hungrig zu lesen, oder wenn man gerade in einer Kantine Essen war. Zuerst einmal wollen wir uns der Theorie widmen: Die Stadt Kobe ist neben dem Erdbeben vor allem für ihr Rindfleisch bekannt. Kobe-Rinder bekommen Kirin-Bier zugefüttert und werden jeden Tag von Hand mit Bier massiert. Das Resultat ist ein sehr fein gemasertes Fleisch. Soviel Handarbeit hat ihren Preis, und ein Kilo Steakfleisch mittlerer Qualität kostet in Europa ca. 260 €. Wie es der Zufall so will, befindet sich 26 Stockwerke unter unserem Zimmer im riesigen Komplex des Crown Plaza eines der besten Steak Restaurants von Kobe, das Wakkoqu.


Der Eingang zum Paradies. Wirklich!

Wie es sich für ein hochklassiges Restaurant gehört, wurde man nicht mit so etwas ordinärem wie einem ausgehängten Menü belästigt. Statt dessen wurde man gleich von seinem privaten Koch begrüßt, und an einen der drei Tische im Lokal gebracht, die alle über eine integrierte Heizplatte verfügen.


Der Koch am Nachbartisch bei der Arbeit.

Unser Koch war Yasuhiko Matsushita, ein hoch gewachsener Japaner, der mit einer Leichtigkeit arbeitete, die nur von seinem Können übertroffen wurde. Die Wahl des Gerichtes beschränkt sich im Endeffekt nur auf die Qualität des Fleisches, denn in diesem Restaurant wird NUR Steak von Kobe-Rindern angeboten.


Max und Andi bei der Menü-Wahl. Im Angebot: Steak, Steak und äh Steak.

Meine Freunde bestellten das Standard-Steak, während ich nach der ‚Wie oft bin ich schon beim Kobe-Steak Essen‘ Strategie das Premium Stück von der Lende wählte. Yasuhiko-San orderte unser Fleisch aus der Küche und stellte uns die Steaks umfangreich vor: Maserung, Aroma, vorgeschlagene Zubereitung – bei den meisten arrangierten Ehen in Japan wird der Partner wohl weniger liebevoll präsentiert.


Unsere Steaks, im Vordergrund die Lende, dahinter das Standard-Stück für 2 Personen.

Nach der Vorstellung machte sich unser Koch geschickt ans Werk. Die Steaks wurden zuerst sorgfältig tranchiert. Dabei achtete Yasumo darauf, die besten Stücke herauszuarbeiten. Das Fett lagerte er gesondert, da es als Geschmacksträger gezielt für den weiteren Bratvorgang eingesetzt wurde. Nachdem alles sortiert war, wurde zuerst das Fett auf der heißen Platte scharf angebraten. Einen köstlichen Duft stieg uns in die Nasen, als der Saft brutzelnd nach Außen trat. In dem feinen Aroma-Film, der sich so auf der Platte bildete, briet Yasuhiko die erste Portion Steak heraus. Gewandt warf er die ersten zwei Filet-Stücke auf die Platte, und wendete sie auf alle Seiten, bis das Fleisch zischend ein helles Braun angenommen hatte. Mit drei blitzschnellen Hieben wurde das Steak portioniert und mit Hilfe der Kochschieber auf unsere Teller befördert.


Nein, dieses Bild sagt gar nichts aus. Echt nicht. Man muss sich einen dieser kleinen Klumpen Glück in den Mund schieben, um es zu verstehen…

Während unser Koch eine Schale mit Karotten, Bohnen und weiterem Gemüse holte, das er im Saft schmoren ließ, griff ich ehrfürchtig nach meinen Stäbchen. Der Duft war unbeschreiblich, und ich musste schlucken, weil das Aroma mir das Wasser wie einer dänischen Dogge im Mund zusammenlaufen ließ. Zwar wurde Senf, Salz und Pfeffer zum Würzen gereicht, aber wenn ich mir ein Lendensteak einer Kuh gönne, die liebevoll ihr Leben lang massiert wurde, dann verderbe ich mir den Eigengeschmack nicht mit Gewürzen.
Wie soll man nun das mit Abstand köstlichste, zarteste, wundervollste Stück Fleisch beschreiben, das man in seinem Leben je gegessen hat? Macht es Sinn, eine Kuh mit Bier zu füttern und sie zu massieren? Oh ja, das tut es! Ich musste mich förmlich zwingen zu kauen, weil ich einfach nicht wollte, das dieser Moment jemals endet. Nicht, das es etwas gebracht hätte, denn das Steak war dermaßen zart, dass es sich ohne weiteres Zutun auf den Geschmacksknospen aufgelöst hat.


Mit genau diesem Bier werden die Rinder massiert. Zum Trinken schmeckt es aber auch.

Insgesamt teilte sich der Genuss auf drei Gänge auf. Immer wieder wurde uns Gemüse gereicht, das im Saft der Steaks gebraten wurde und so den sagenhaften Geschmack des Fleisches in sich aufnahm. Zusätzlich wurden die Steak-Stücke der Qualität nach gereicht. Wenn nach dem ersten Gang auf der Zunge eine ausgelassene Party stattfand, so war es beim dritten und letzten eine Orgie, bei der normal sofort die Polizei kommen müsste. Beim finalen Bissen dachte ich mir nur noch, dass ich am liebsten nie mehr meine Zunge mit etwas anderem beleidigen würde, aber auf der anderen Seite: Etwas wirklich Besonderes zeichnet sich gerade dadurch aus, dass man es nicht immer haben kann. Mit diesen Worten möchte ich für heute schließen, denn jetzt möchte ich ins Bett und noch einmal von diesem Essen träumen!

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