Manfred Wiedenmann

ManfredWiedenmann

06.08.1951-24.04.2015

Bei all den Worten, die einem die Sprache bietet, finden sich doch so wenige Sätze, die man sagen kann, wenn man einen geliebten Menschen verliert. Mein Vater ist ein geliebter Mensch. Geliebt von seiner Frau, meinem Bruder und von mir, von seinen Freunden. Wann immer es ein Problem gab, war er zu Stelle und half nach all seinen Kräften und gerne auch darüber hinaus. Man sagt da normalweise gerne „selbstlos“ dazu, aber das passt nicht bei einem Mann, der so viel selbst hatte.

Sein Interesse und Mitgefühl an der Welt war ebenso stark wie seine Überzeugungen, und er trat immer leidenschaftlich dafür ein. Unsere Umwelt, soziale Gerechtigkeit, all dass was die Gemeinschaft gerne im Trubel des Alltags vergisst, war ihm immer wichtig. Das ist wohl auch der Grund, warum ich mich so gerne mit ihm unterhalten habe. Man musste nicht einer Meinung sein, aber er gab sich immer Mühe, alle Standpunkte zu sehen und beleuchten.

 

Geburtstag

Er war einfach er selbst, ein Mann seine Familie liebte, seine Freunde, seinen Garten und vor allem auch die Natur. Ein Mann der sich mit ewiger Neugier mit allen erdenklichen Themen beschäftigte, und ein Bild werde ich immer im Kopf haben: Wie er Samstag Abends sein Bastelbrett aufbaute und begeistert an seinen Platinen lötete. Oder wie er sein Baukasten Waschmittelsystem optimierte, hier ein Enzym, da ein Wirkstoff. Oder seine Werkstatt im Keller, voller Schrauben, Holz, Profilen, damit wieder die nächste Konstruktion gebastelt werden konnte. Rüdiger, sein altes Wohmobil, dem er immer wieder ein kleines Extra verpasste. Es gab immer ein Projekt, und auch wenn das für die Beteiligten nicht immer zwingend nur einfach war, so war es bestimmt nie langweilig.

So lange man kein FDP Politiker oder Großindustrieller ist, war man bei meinem Papa immer herzlich willkommen. Er schätzte seine Mitmenschen aufgrund ihres Handelns, nicht ob sie arm, reich, erfolgreich oder chaotisch waren. Durch seine vielen Interessen konnte er im einen Moment mit einem Literaten über Bücher reden, im nächsten mit einem Wissenschaftler über Kernbeschleuniger und dann mit einem Naturfreund über die Berge. Diese Offenheit, diese Leidenschaft für eine bessere Welt, das sind Dinge, die er mir geschenkt hat. Ohne ihn wäre ich nicht der Mensch, der ich heute bin. Dafür danke ich ihm von Herzen.

Papa_Felix

Gerade weil er seine Familie und seine Freunde so liebte, bin ich sehr traurig, dass ihm so wenig Zeit mit meinem Sohn vergönnt war. Ich hatte mich so sehr darauf gefreut, dass er ihm wie mir das Handwerken beibringt, ihn zum Buddeln in seinem Garten verdonnert, auf einen spannenden Geocache mitnimmt oder ihm jedes einzelne Stück im Deutschen Museum erklärt. Es gab so vieles, dass mein Papa noch vorhatte, denn seine Freude am Leben und sein Hunger auf Erkundungen war ungebrochen. So viele Projekte hatte er noch vor, und vor allem freute er sich darauf, Zeit mit uns allen zu verbringen. Mit seiner geliebten Frau Touren zu unternehmen, mit meinem Bruder den Garten zu optimieren und das Haus zu renovieren und mit seinen Freunden Kegeln zu gehen und beim Stammtisch am Mittwoch wieder die Welt zu diskutieren.

PapaWeihnachten

Ein Lieblingszitat von ihm ist für mich: „Gehalt ist Schmerzensgeld für Freizeitentzug“. Jeder Erfolgskarrierist unserer neuen Welt kann wohl nicht verstehen, dass er lieber bescheiden und sparsam lebte, als nach dem großen Geld zu streben. Dafür fand er als Taxifahrer Freunde fürs Leben, und ich bin mir sicher, dass es viele Fahrgäste gegeben hat, die eine unerwartet interessante Unterhaltung bei der Fahrt erleben durften an die sie sich heute noch erinnern. Nach vielen langen Jahren im Auto schaffte er dann doch noch den Absprung als Programmierer, und wir hatten die Gelegenheit, jede Woche beim Mittagessen nahe der Firma die Welt in unseren Gesprächen zu erkunden.

Überhaupt liebte er und schätzte er immer das, was er hatte, statt sich damit zu grämen, was andere haben oder er haben könnte. Und er liebte seine Frau Gabi von ganzem Herzen, genauso wie er seine Jungs, mich und meinen Bruder, immer in allem begleitete und unterstützte. Vor allem für Daniel, meinen Bruder war er nicht nur Vater, sondern auch bester Freund.

Wandern beim Geocachen

Mein Papa war ein Baum von einem Kerl, und das nicht nur wegen seiner Statur. Er war ruhig, geeredet, und seine Wurzeln kreuzten die Leben von vielen Menschen. Ich werde nie aufzählen können, wen er alles berührt hat, aber wir alle werden ihn in unserem Herzen tragen. An dieser Stelle möchte ich schließen, denn eine Geschichte, eine Sicht wird nie den vielseitigen Menschen erfassen, der mein Vater war. Aber ich würde mich sehr freuen, wenn ihr einen Moment beitragt, an dem mein Vater euer Leben berührt hat.

Bei all der Vergangenheitsform werde ich nie sagen, dass ich meinen Vater liebte. Denn das tue ich auch jetzt, und werde es immer tun. Denn so schmerzlich das Vermissen ist, so ist es doch ein Trost, dass es so vieles gibt, dass man vermissen kann. Denn das Loch, das er hinterlässt, ist groß.

Leb wohl Papa, ich denk an Dich.

Echt angekommen

Ein ereignisreiches Jahr trennt uns von den aufregenden Klippen der Amalfi Küste und der traumhaften Sonne von Capri.
Nicht nur habe ich den behutsamen Schoß der BSH verlassen, nein, auch das heimelige Giesing wurde gegen das noch heimeligere Zorneding ausgetauscht, das man nun mit der gleichzeitigen Behausung durch drei Wiedenmann Familien getrost als eine Hochburg Wiedenmannisierter Zivilisation bezeichnen kann. Der Weg zum Bahnhof wird an der Westflanke mit gehisster internationaler buddhistischer Flagge vom Gartengroßmeister und geliebten Vater Papa Wiedenmann gehalten. An der Ostflanke hausen die jungen wilden Wiedenmänner(innen), unter der freigeistigen Leitung meines Bruders und mit meiner Schwägerin und meiner Nichte Jana, die sich auf dem besten Weg zu einer extrem coolen Teenagerin entwickelt. Das liegt vor allem daran, dass sie erfolgreich mit einer gesunden Begeisterung für moderne Technologie infiziert wurde und lieber über Zombies als über die neueste Beauty-Kollektion fachsimpelt. Mit dieser – wie ich finde – höchst genialen Lebensauffassung eckt sie leider bei den Tussis ihrer Schule an. Mal sehen ob diese geschminkten Schnepfen das immer noch so albern finden, wenn aus einem Labor der Weltuntergang entschlüpft. Wobei, Zombies suchen nach Gehirnen, insofern sind die wahrscheinlich automatisch getarnt.nbsp;divLast but not least wohnen meine bezaubernde Frau und ich beim Neubau Brückenkopf im Ortszentrum. Da der letzte Urlaub komplett mit Umzug belegt war, beschlossen wir, uns jetzt noch eine kleine Reise zu gönnen.
Die Route (geplant):
Europapark
Antwerpen
Gent
Nordsee (irgendwo)
Heim
Um für ein wenig Abwechslung zu Sorgen, durfte Imogen die ersten Hotels buchen. Angesichts der Mission Europapark sollte es in der Nähe liegen, ohne die Mondpreise eines Freizeitparkhotels zu erreichen. Ich gebe ja zu, dieser Stop ist eher meiner, denn das Kind im Manne will schließlich auch ein paar ordentliche G-Kräfte genießen.
Die erste kleine lebhafte Diskussion ergab sich an der Raststätte, als eine bei der Fahrt verrutschte Unterwäsche meinerseits Hinten etwas über den Gürtel ragte. Meine Frau schwört sie hätte mich liebevoll darauf hingewiesen, in meiner Erinnerung klingt es eher wie ein statisches rauschen und dann eine infernalische Stimme, die sagt: „Richt deine Kleidung ordentlich, so kann ich mich ja mit dir nicht blicken lassen.“ Nun, das teuflische ist in meiner Welt für störrische Kunden reserviert, und so ging ich automatisch in den Ghandi Modus: Mit einem freundlichen Lächeln ignorieren und passiven Widerstand leisten. Hungerstreik wäre noch eine gute Option (ich müsste mal wieder etwas Diät machen), scheitert aber an meinem zu großen Mitgefühl für köstliche Lebensmittel, die nicht der Bestimmung folgen dürfen, vom wertschätzendsten aller Gaumen voller Wonne verkostet zu werden.
Wenn ein unaufhaltsamer Wunsch auf eine unbewegliche Sturheit trifft, so war auch in diesem Fall das Resultat eine schmollende Ehefrau, die im Abstand von drei Schritten hinter mir her stapfte. Auch mein diplomatischer Hinweis, dass es aussehe als ob eine unterdrückte Afghanin hinter einem Pascha herläuft führte nicht zu einer romantischen Versöhnung. Aber ich bin mir sicher, die Flammen, die bei diesem Kommentar in ihren Augen loderten spiegelten die feurige Liebe meiner Frau zu mir wieder.
Meine ebenfalls positiven Gefühle für Imogen gegen die unsägliche Mühe, mir mein Hemd ordentlich in die Hose zu stecken abwägend beschloss ich dann doch dem Pfad des Friedens zu folgen. Aber Männer, Landsleute und unterdrückte – dies war kein schnöder Verrat. Dieser körperlichen Handlung des Aufgabe folgte ein flammender Monolog!
lt;einsetzen einer leisen Violinegt;Seit je her sind Männer geknechtet von den Adleraugen ihrer Gattinnen. Vom tiefen Streben nach Weltfrieden, unendlicher Energie (mein Favorit: Antimaterie oder wenns denn sein muss Kernfusion) und dem Fortschritt der menschliche Rasse beseelt ist unser männlicher Geist so sehr erfüllt, dass manchmal so lapidare Details wie Kleidung übersehen werden. Hat Archimedes seinen Anzug gebügelt, als er die Grundsteine zeitloser Mathematik legte? Nein, der sprang nackt mit einem Heureka! aus der Wanne! Gut, bei mir war es nichts so epochales, ABER ich war auch nicht nackt.
Ist Liebe nicht, dieses Streben wahrzunehmen und zu sagen: Ja, dieser Mann ist meiner! Mit einem ungünstig hängendem Hemd, aber dafür der Lösung für die Probleme des 21. Jahrhunderts!
Um es abzukürzen, meine Rede war ein leidenschaftlicher Kampf für die Rechte des modernen, zerstreuten Ehemannes. Das Hemd muss ich das nächste Mal trotzdem ohne Widerrede richten.
Das Navi führte uns dann wesentlich eher von der Autobahn als ich gedacht hätte, und mit jedem Kilometer abgelegener Landstrasse, der uns tiefer und schwärzesten Schwarzwald führte, wuchs das schlechte Gewissen meiner Frau: „Also Schatz, Du weisst ja, mir war es sehr wichtig, dass das Hotel schön ruhig ist“ (lt;RUMMSgt; lt;Lauter Jubelgt; sagt die Kegelbahn unter uns gerade). Eine halbe Stunde später, ein Hase und ein Fuchs baumelten an einem Baum, da es so abgeschieden war, dass sie selbst zum gute Nacht sagen zu deprimiert waren und sich erhängt hatten: „Also ich habe Rust bei der Suche mit angegeben“ „Mit welchem Suchradius, gleicher Kontinent???“
Die klare Luft eines Luftkurortes, geschwängert mit den schweren Dieselgasen eines Traktors vor uns. Ich beginne leicht zu halluzinieren aber fahre weiter, bis wir an ein (zugegebenermaßen sehr süßes) Gasthaus kommen: Unsere Bleibe für die nächsten zwei Tage. Ein älterer Herr ruft von oben: „Sen sie die Gäst?“ „Jo freilich!“
Aus dem hintergrund die Stimme eine Frau: „Sen des endlich die Gäst!“ Der Mann ruft zurück: „Ja die Gäst!“ Sein Schulterzucken und mein Nicken bestätigen in internationalem Männersprech: Das war seine Frau.
Nach einer langen Fahrt hatte ich noch Lust auf einen kleinen Schlummertrunk. Der Dialog war so schön, den muss ich einfach teilen.
Ich: „Ich hätt gern ein Bier“
Wirt: „Aaaah, ei Pils!“
Ich: „Na, Bier!“
Wirt: „Erdinger Weizen?“
Ich: „Um Himmels willen bloss nicht! Einfach ein Lagerbier.“
Wirt: „Sag ich doch: Ei Pils!“
So trank ich das erste Pils seit Jahren. Imogen wollte auch etwas:
Imogen: „Ich möchte etwas alkoholfreies, bitte.“
Wirt: „Erdinger Weissbier?“
Imogen: „Das ist doch Bier. Ich wollte eher etwas ohne Alkohol“
Wirt lt;triumphierendgt;: „Ei jo, des is ja dann alkoholfreies Erdinger Weissbier!“
Imogen: „Ich wollte eigentlich eine Schorle“
Wirt: „Rotweinschorle, Weissweinschorle?“
Imogen: „Also eher eine Schorle ohne Wein“
Wirt: „Wieso hans des ned glei gsacht! Wir han Spezi…“
Imogen lt;schnellgt;: „Apfel! Apfelschorle!“
Wirt: „Gross oder klein?“
Ich habe schon fast ein schlechtes Gewissen, denn wir sind wirklich die einzigen Gäste im gesamten Haus. Schade eigentlich, es ist alles gepflegt und die Landschaft herum ist wunderschön. Wie Imogen so schön sagte, hier ist alles ECHT. Die Tage werden zeigen welches ECHT.

Capri’s Sonne ohne Capri und Sonne (dafuer Amalfi Amokfahrt)

Nach dem guten Start in den ersten Tagen hat das Wetter beschlossen, sich mit dem Muenchner Mistwetter zu solidarisieren. Jeden Tag linsen wir vorsichtig in den Wetterbericht, aber das Programm bleibt bisher das gleiche: Kleine Inseln des Sonnenscheins, dann wieder viele dicke Regenwolken und ein paar Schauer zum abkuehlen. Was ganz toll waere wenn es eine Hitze gaebe, von der man sich abkuehlen kann.
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Der Lieblingsplatz meiner Frau bei schlechtem Wetter – gemuetlich in das runde Fenster gekuschelt etwas lesen

Insofern haben wir die Ausfluege bisher in der Hoffnung auf Besserung verschoben, um die schoenen Ziele bei entsprechendem Wetter zu geniessen. Dennoch wollten wir am Freitag dann doch einmal los, um Capri einen Besuch abzustatten.
Sorrento ist ein Labyrinth aus Einbahnstrassen, und auf dem Weg zum Hafen waren wir kurzfristig so nahe am Vesuv, dass wir schon dort hin fahren wollten. Allerdings fuehrte die naechste Einbahnstrasse wieder ein paar Kilometer weit nach Sorrento und so konnten wir uns durch die Fussgaenger Richtung Hafen wuseln.
Dort wurden wir auch gleich von dem geschaeftstuechtigen Parkdienst abgepasst. Fuer den Schnaeppchenpreis von 15€ tauscht man sein Auto (samt Schluessel) gegen einen kleinen Papierzettel und darf es dann nach dem „unvergesslichen“ Besuch auf Capri wieder abholen – wenns dann noch da ist.
Mit einem flauen Gefuehl im Bauch uebten wir uns im englischen Volkssport „Queueing“, und wurden dafuer am Schalter griesgraemig und stirnrunzelnd empfangen. Wie kann man als Touri nach Capri wollen und erst um 9 Uhr Morgens Karten kaufen? Am selben Tag! Aber fuer die netten Tedesce gibts natuerlich noch eine Spezialkarte zum Freundschaftspreis, die Onkel Luigi aus dem schwarzen Mercedes gefallen ist. Normalerweise vermeide ich im Ausland Kontakt mit Landsleuten, aber jetzt kam ein nettes Paar aus Muenchen zu unserer Hilfe: Die Karten sind nur fuer die Anfahrt gueltig, da die Faehren rettungslos ueberbucht sind. Haetten wir diese Warnung nicht bekommen waere das Capri Programm in eine kuschelige Regenuebernachtung auf Capris romantischen Wegen eskaliert.
So liessen wir es dann sein, holten uns Auto gegen den „Precio speciale“ von 5 Euro wieder ab und beschlossen kurzerhand, uns die Amalfikueste anzuschauen. Landschaftlich eine Top-Wahl, Fahrerisch… da kommen wir gleich dazu.

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Die gesamte Amalfikueste ist eine malerische Steinkueste mit unendlichen Serpentinenstrassen

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Die Siedlungen werden gut gelaunt in die Kueste gewuerfelt – wo eben gerade Platz ist

Wenn man neben Haeusern auch noch Strassen will, muss man dann schon Kompromisse eingehen. Die 1 1/2 Spuren sorgen fuer viel zwischenmotorische Naehe. Es ist ein Erlebnis, sich die winzigen Serpentinenstrassen entlangzutasten und in lebenserhaltendem Optimismus vor jeder Kurve zu hupen. Das erstaunliche ist: Es funktioniert! Auch wenn zeitweise in Kurven kein Blatt mehr zwischen unser Auto und den Gegenverkehr gepasst hat wurde kein unschuldiger Lack fuer diese Fahrt verletzt. Fuers Gewicht ist das auch eine prima Sache, da ich bestimmt mein eigenes Koerpergewicht an Schweiss im Fahrzeug gelassen habe.

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Hier steht man eben auf der Gegenfahrbahn da rechts zugeparkt ist. Ein Garant fuer stundenlangen Wartespass und der eigentlich nicht mehr noetige Beweis weshalb die Italiener am liebsten mit dem Roller fahren

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Volkssport in Amalfi: Stau-Watching

Amalfi selbst sieht fantastisch aus. Wie im besten Maerchenfilm ist die Stadt festungsgleich in den Berg eingelassen. Wir haetten uns auch gerne einmal hingestellt und das ganze gern zu Fuss erkundet, aber stroemender Regen und die Tatsache, dass an Parken nicht zu denken war, machten die Besichtigung eher zu einem Roadmovie. Dafuer war jede Menge geboten, wenn zwei Busse aneinander vorbeikommen mussten. Meiner persoenlichen Meinung nach hat man hier notgedrungen einen Weg gefunden, alle physikalischen Gesetze ausser Kraft zu setzen. Die Busse stehen sich hupend gegenueber, man faehrt zentimeterweise vor und zurueck und auf einmal sind die Busse aneinander vorbei, alle grinsen und es geht weiter.

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Abraka Oha! Noch sind sich die am Ende der Strasse nicht ganz einig wie das Puzzle geloest wird. Die vor- und nachgelagerten Autoschlangen tanzen dann herum bis man einen Weg gefunden hat.

Ich bin mir auf jeden Fall sicher, wenn ich wieder in Muenchen bin, wird das Fahren stinklangweilig. Spuren! Verkehrsregeln! Nur, wer die Serpentinen der Amalfikueste gemeistert hat, darf sich als Hoellenhund der Autofahrerelite fuehlen.

Auf Goethes Spuren

Gestern hatten wir Sorrent am Abend noch besucht, um uns dort ein schoenes Essen zu goennen. An den Verkehr hat man sich schnell gewoehnt (die Frau mit Limoncello Keksen abzulenken erspart irritierende Angstschreie), nur das Parken ist so ein Kreuz. Letztendlich bugsierte ich den Fiat in einem scharfen Manoever an einem froehlich hupenden Dreibeiner vorbei in eine winzige Parkluecke und fuetterte den ausgesprochen spendenfreudigen Parkautomaten.

Mit lediglich 2 Stunden Zeit im Gepaeck landeten wir dann bei einem aus meiner Sicht solide standardisierten Touristengrab. Auch hier ist die Wahrnehmung so ein Ding: Meine Frau bewunderte die Professionalitaet des schneidigen Kellners, waehrend mir im Gedaechtnis bleibt, wie er eine Gruppe horizontalbeguenstigter Touristinnen erst umgarnte und dann mit zwei Flaschen Wein beglueckte, der laut Karte im Alleingang die Schuldenkrise eines kleineren EU-Staates loesen koennte. Ich selbst bekomme bei 60 Euro / Flasche fuer einen Mittelklasse Wein akuten Geldbeutel-Verschluss, also musste der offene Hauswein und etwas Wasser reichen.

Italienisch Essen richtig gemacht
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Wer in Italien richtig (und gut!) essen will, sollte auch einmal einen Blick ueber die Pizza hinaus werfen. Das Essen unterteilt sich grob in 4 Etappen:

Zum Aufwaermen: Antipasti
Bevor man mit dem eigentlichen Essen beginnt, goennt man sich gemeinsam einen Teller Antipasti. Das muss nicht zwingend in Oel ertraenktes Gemuese sein, auch Bruschetta, Vitello tonnato oder – noch auf meiner Liste – Carne Cruda sind hier erlaubt bis sinnvoll. Das haengt sehr von den folgenden Gaengen ab!

Kohlenhydrate zum Anfassen: Primo Piatto
Der Italiener versteht unter Primi Piatti entweder eine Suppe oder aber noch viel lieber ein Pasta oder Risotto Gericht. Ob man da nun ein einfaches Aglio y Olio oder gleich ein Cozze (Muscheln) Massaker starten will, ist jedem frei ueberlassen.

Das Eiweiss fuer den Mann: Secondo Piatto
Nach der Pasta laesst man sich nun ein Fisch bzw. Fleischgericht schmecken. Hier wird aber normalerweise das Gericht ohne Beilagen serviert, die werden (bei Bedarf) dazubestellt. Deswegen hat sich der kluge Esser den Magen im Primo Piatto schon ordentlich vorgrundiert und kann sich nun ganz auf den Geschmack des koestlichen gegrillten Fischs oder einer der tollen Fleischspezialitaeten konzentrieren.

Kein Dolce Vita ohne Dolce: Nachtisch
Nachdem ich ihn Japan so viel ueber den Kaffee gemeckert habe, kann ich in Italien nur davon schwaermen. Ein Essen ohne einen guten Espresso danach ist nur die halbe Miete. Zum Espresso laesst man sich dann noch ein kleines Dolce schmecken. Das ist zwar nicht zwingend fuer ein original italienisches Essen aber – ach was sag ich, NATUERLICH muss ein Dolce sein!

Heute wollten wir uns den Weg nach Sorrent sparen und pilgerten den steilen Weg zur Strasse hinauf, um uns das einzige in der Naehe befindliche Restaurant anzusehen. Wir hatten es Anfangs noch gemieden, da der Aussenbereich abenteuerlich anmutete und der Name Kalimera (griechisch fuer Guten Morgen) nicht zwingend authentisch Italienische Kueche erwarten liess. Aber so kann man sich irren: Der Laden wird von einer italienischen Familie gefuehrt, und wir hatten dort ein wesentlich netteres Essen als gestern.

Primo Piatto

Da strahlt die Frau: Primo Piatto

Meine alte Faustregel „Traue niemals einem duennen Koch“ wurde hier im vollsten Umfang bestaetigt, denn das Essen war genauso lecker wie die Familie rund war. Besonders der leckere Schokokuchen, den die Mama hoechstpersoenlich backt, war ein echtes Highlight.

Da sassen wir wir also in der Sonne, liessen es uns schmecken und dabei kam auch das Tagesmotto auf. Der Deutschen groesster Dichter, Goethe, war ein leidenschaftlicher Italien Fan. Bei dem Essen und der Landschaft kann man ihm das aber auch nicht verdenken!

Spaggia

Die private Bucht des Hotels

Zitronenbaum

Frisch aus dem Zitronenhain schmecken die Zitronen fein

Kurzum: Wenn man an einem solchen Ort verweilen kann, ist ein Faust schon fast von selbst geschrieben. Ideen hatte ich jede Menge!

Sneak Preview: Faust 3 – Die Welt ist nicht genug
Dr. Faust hat die Schnauze voll. Nach dem geplatzten Deal mit dem Basispessimisten Mephi und einem metaphyischen LSD Trip in Teil 2 steht der alte Tor da und hat immer noch von nichts eine Ahnung. Warum an der Welt verzweifeln wenn man mit einem „YES we can“ alles kann? Also reist er nach Obamien um dort von den alles bejahenden Geistern der freien Marktwirtschaft die einzig wahre Sinnfrage klaeren zu lassen: Seelenheil durch Schotter! Faust gruendet eine von Halliburton finanzierte Fraccing Company und waescht den Satyren das ganze Elysium unter dem Hintern weg.
Unterdessen gruendet Gretchen einen Strip-Club namens „Gretchens Frage“ wo statt nach der Religion nur noch nach einem gefragt wird: Bar oder Kreditkarte. Faust trifft dort auf Gretchen, als er dem Investchef der Teutonischen Bank ein Happy End ohne Erkenntnisvorbedingung erlaeutern will. Sie konfrontiert Faust mit der neuen Rechtslage, dass nun auch Post-Mortem Unterhalt fuer unter vorsaetzlicher Luege gezeugte Kinder faellig ist. Das ist zwar blanker Unsinn, aber Faust als weltfremder Trottel glaubt ihr und ueberschreibt Gretchen sein gesamtes unrechtmaessig erworbenes Vermoegen.
Faust, der nun Erkenntnis- UND Mittellos ist stellt fest, dass das Studium der Harz IV Vorschriften mehr Zeit in Anspruch nimmt als seine gesamten vorhergehenden Studien. Er ist nun bereit, sich dem seelenlosesten aller Daemonen zu stellen: dem deutschen Amtsschimmel….

Vesuv Vs. Auenland

Um das Ueberstunden- und Resturlaubsbefuetterte Niemandsland zwischen zwei Jobs zu ueberbruecken haben meine Frau, die Heimleitung und das Oberheereskommando beschlossen noch ein paar schoene Tage in Italien zu verbringen. Nach bester demokratischer Tradition wurde Einstimmig beschlossen: Die Frau hat die Stimme und sie beschliesst.

UmbruchStimmung

Doppelt symbolisch: Ein Leben im Umbruch und so siehts aus wenn man sich mit der Frau anlegt

Zugegebenermassen war ihr Vorschlag schon besser. Mich hatte der Prospekt mit „10 Tage Neuseeland im Wohnmobil“ gefesselt und ich sah mich schon am Steuer einer fahrbaren Burg auf den Spuren der Peter Jackson Produktionen wandeln. Aber 36 Stunden Flug hin und zurueck fuer ein „Schau Schatz, hier haben sie das Auenland abgedreht“ sind auch bei positivster Betrachtung kein angemessenes Programm fuer den ersten Hochzeitstag.

Damit auch ich auf meinen Abenteuer-Anteil komme, wurde dafuer von meiner Liebsten der Koffer gepackt, als ob wir die Demokratie nach Mordor bringen oder zumindest den Suedpol entdecken wuerden.

Wissens-Intermezzo: Der Antarktisvertrag
Selbst ueber die abgelegensten, kaeltesten Flecken der Welt laesst sich vorzueglich streiten. Damit man sich diesen Aerger beim Suedpol spart, wurde 1959 der Antarktisvertrag aufgesetzt (in Kraft getreten 1961) und damit festgelegt, dass das gesamte Nicht-Bewohnte Antarktisgebiet zwischen dem 60. und 90. Breitengrad (das ist immerhin das untere drittel der suedlichen Kugel) einfach gar niemandem gehoert bzw. keine neuen Besitzansprueche mehr gestellt werden duerfen.
Da das ganze mit dem Passus „wissenschaftliche Nutzung“ garniert wurde kann ich mir das schon vorstellen wie es einmal aussieht, wenn man dort Oel findet: Wie beim japanischen Wahlfang wird eine riesige Foerderanlage hingestellt, vor der dann ein Mann im Schutzanzug steht, der das Schild „Nur zu Forschungszwecken“ hochhaelt.

Nach einem kurzen Flug drehte unser Flieger dann ein paar Runden ueber Neapel. Bestimmt hatte die Fluggesellschaft ihr Schutzgeld vergessen oder der Camorra war ein Mann mit Betonschuhen aus dem Helikopter gefallen und das hatte ein Loch in die Landebahn geschlagen. Dem Piloten bot sich dadurch die Gelegenheit den Flieger in den Warteschleifen in jedes verfuegbare Luftloch fallen zu lassen. Nach einer halben Stunde kam die Maschine dann doch noch am Boden an, begleitet vom tosenden Applaus der sichtlich erleichterten Fluggaeste. Wobei ich nur in die Haende geklatscht haette wenn sich der Schaedel dieses Luft-Attilas, der sich Pilot schimpft, dazwischen befunden haette.

Angekommen gings im Shuttle-Bus zum Auto-Verleih, wo wir einen Italientauglichen Fiat Cinquecento nach ein paar Sicherheitshinweisen erhielten.

Auto
Auto Parken alla Napoli
– Nichts im Wagen liegenlassen
– Handschuhfach leeren und offen lassen
– Nicht in Neapel parken
– Nicht auf dem Vesuv parken (ausgeraeumt UND verbrannt)

Gerne wuerde ich jetzt die abenteuerlichsten Geschichten erzaehlen, wie wir mit dem kleinen Schnaufer durch die engen Gassen Neapels fuhren aber der Flughafen liegt ausserhalb und so ging es einfach nur die Kuestenstrasse entlang. Der Leser ist aber herzlich eingeladen sich hier die Dinge etwas auszumalen: Das Beben der Erde als der Vesuv ausgerechnet unseren Besuch als Anlass zum Ausbruch nimmt, wie wir mit quietschenden Reifen den Spalten ausweichen, die sich in der Strasse auftun – ja, dort hinten segelt eine Vespa in einem spektakulaeren Salto ueber den lavasprudelnden Riss – nebenbei noch eine gestrandete Kleinfamilie aufs Dach schnallen und schliesslich auf einer Lavawoge an Capri vorbeisegeln: Genau so war es nicht.

Dafuer ist der Golf von Neapel ein paradisisch schoener Flecken Erde und unser Hotel – elegant als „Agritourismo“ getarnt war auch bald in Sicht.

Hotel

Zitronenbaeume, Meer, Haus – Agritourismo Italiano

Wir sind uebrigens sehr froh, dass wir hier etwas abgelegen sind, da man Sorrento schon als „Touristisch erschlossen“ bezeichnen kann. Ungezaehlte Briten, Deutsche and andere hellhaeutige Badeschlappentraeger laden zu spontanen Schlenkern auf der Strasse ein, bevor sie sich in einem der vielen Restaurants eine Pizza bringen lassen. Wir hingegen haben uns in einem winzigen Laden mit ein paar Antipasti und etwas Wein eingedeckt und den Tag gemuetlich im Garten ausklingen lassen.

Vino

Eigentlich wollte ich gar nix schreiben aber solche Aussichten inspirieren mich einfach

Tag 14 + 15 Hiroshima/Miyajima : Wenns am besten ist…

Der letzte Abschnitt unserer Japan Rundreise in den Flitterwochen war Hiroshima. Es schien uns passend, da diese Reise auch der Weg vom „Das ist mein aktueller Lebensabschnittsgefaehrte“ zu „Wir sind eine Familie“ war, und das in einem Land, wo die Menschen so nah an den Traditionen der Vergangenheit Leben und trotzdem mit begeistert der Zukunft entgegen gehen. Und was ist besser als letzter Ort als eine Stadt, wo der Fallout von Gestern der Strahlung von Heute begegnet?

 

Wobei das so eine Sache ist mit den radioaktiven Superkräften. Mein Haar ist immer noch voll, meine Frau leuchtet nicht im Dunkeln und viele der ausländischen Touristen (von denen es nicht weniger gab als bei meinem letzten Japan Trip) konnten überhaupt nicht verstehen, weshalb in Deutschland soviel Sorge wegen Fukushima besteht. Bei der Einheimischen Bevölkerung haben wir nichts bemerkt. Ich habe aufmerksam nach Geigerzählern oder anderem Schnickschnack gesucht, aber wirklich gar nichts war aufzutreiben. Und das liegt nicht daran, dass dem Japaner seine Gesundheit egal wäre: Mit der Angst um das leibliche Wohl wird in Japan sehr viel Geschäft mit zum Teil Haarsträubenden Produkten gemacht. Ich für meinen Teil empfehle herzlich gerne Japan als Reiseland, und meine Frau fühlt sich hier auch vollkommen sicher und gut aufgehoben.

 

Da wir uns nicht stressen, ist der Transfertag immer sehr unspektakulaer. Der Weg von Kyoto nach Hiroshima ist mit dem Shinkansen ein Katzensprung, also nutzen wir die Zeit, um einen neuen Zweitkoffer zu kaufen und im Yodobashi noch das eine oder andere Mitbringsel einzukaufen. Es ist zwar eine Herausforderung, dem japanischen Personal das Prinzip internationaler Einkäufe zu erklären, aber wenn man erst einmal das Zauberwort „Duty Free“ gelernt hat, packen die Verkäufer emsig ihre Stempel aus und heften einem einen halben Roman in den Reisepass. Dafür spart man sich dann aber 5% Steuern. Wichtig ist, dass man nicht aufgibt, bis die ihre Papiere rausholen. Da japanische Angestellte stets Lächeln weiß man nie, was sie jetzt auch verstanden haben. Sie erzählen einem Fröhlich ganz viele Sachen, denn der Japaner als Optimist geht davon aus, dass der andere entweder genug Japanisch kann oder ein Telepath ist. Bei merkwürdigen Gaijin schließlich nicht unwahrscheinlich. Was hier Wunder wirkt, ist ein freundliches, aber bestimmtes und vor allem oft wiederholtes „Wakaranai“. Ich weiß nicht einmal ob es grammatisch korrekt ist, aber in etwa heißt es „Ich hab nicht ein Wort von dem verstanden, was du gerade gesagt hast.“ Und solange es funktioniert (was es tut), verzichte ich gerne auf den  Preis für perfektes Japanisch.
Klassische Bürokratie aber ihr spart euch Geld damit.

 

Da wir bei den letzten Zugfahrten immer neidisch auf die köstlichen Brotzeitboxen der anderen Fahrgäste geschielt haben, während wir von den Zugbegleiterinnen überteuerte und ziemlich matschige Sandwiches kauften,  gönnten wir uns auch so eine Schachtel. Ich stelle mir gerne vor, wie ich vielleicht einmal neben meinem Hausgaertner auch noch einen eigenen Bento Box Packer habe. Der würde meine Kinder zu den unangefochtenen Königen beim Pausenbrot machen.

 

Dies Schachteln enthalten eine komplette Mahlzeit und sind liebevoll mit den Sehenswürdigkeiten der Bahnhofsstadt bedruckt. Die gehen weg wie warmer Reis.

Ein nettes Wurschtbrot hast du da. Ich? Ach nichts besonderes…

 

Der heutige Tag war dann ganz für das letzte Highlight der Japanreise gebucht: Die wirklich wunderschöne Insel Miyajima. Ich habe schon bei meiner letzten Reise davon geschwärmt. Mit den besten Erinnerungen ist das eine gefährliche Angelegenheit: Wenn man sie wiederholt, und es geht in die Hose, dann bleibt dem unvergesslichen Erlebnis von damals ein fader Beigeschmack. Aus genau dem gleichen Grund habe ich darauf verzichtet, mir hier noch einmal ein Kobe Steak zu gönnen. Sowohl in Kyoto als auch in Hiroshima bin ich an einigen Restaurants vorbeigelaufen, in deren Schaufenster dieses Stück fleischgewordene Glückseligkeit angeboten wurde. Mit zitternden Händen und aschfahlem Gesicht kaempfte ich mich an  den Laeden vorbei, aus denen ein so zarter Steak Geruch schwebte, dass mir die Tränen der Ergriffenheit in die Augen stiegen. So muss sich ein Junkie fühlen wenn er nie wieder rückfällig werden darf und dann beim besten Stoff der Welt vorbeigehen muss.

Äh ja wo war ich – stimmt, Miyajima. Also wenn ich einen Flecken Natur als mein Kobesteak des Landschaftsgenusses in Japan bezeichnen würde, dann wäre es diese Insel. Und weil das Leben eine fiese und ironische Angelegenheit ist, lief es erst einmal durchwachsen. Der Himmel war bedeckt, und so schien die Insel nicht wie ein grünes Juwel aus einem strahlend blauen Meer, sondern Imogens erster Kontakt mit der Insel war ein halbgraues Etwas, das sich vor den Bug des Fährschiffes legte.

Die traumhafte Aussicht vom Mount Misen mit extra ohne Aussicht.

Auch das Wahrzeichen der Insel, ein riesiges oranges Tori war am unteren Teil in ein abscheuliches Baugeruest gepackt. Ich finde es ja löblich, wenn man Kulturgut auch mal restauriert, aber wieso muss das Jahr des schwingenden Hammers ausgerechnet bei meinen Flitterwochen sein? Ich fühlte mich ein wenig wie ein Vater, der den perfekten Sopran seines Sohnes anpreist und dann kommt der Lümmel ausgerechnet bei der Premiere in den Stimmbruch.

Vielleicht war ich aber auch etwas kritisch im direkten Vergleich mit meinen Erinnerungen, denn Imogen verliebte sich spätestens beim ersten süßen Reh in die Insel. Natürlich punktet Miyajima mit unfairen Mitteln, denn kuschelige Tiere mit sooooo großen dunklen Augen würden wahrscheinlich selbst eine brennende Müllhalde für eine Frau zu einem Paradies machen.

Och ist das SÜÜÜÜÜSS!!! Mit den richtigen Schlüsselreizen sind Frauen leicht zufriedenzustellen. Höchstens Schokolade wirkt noch besser.  Hm, Rehe aus Schokolade…

Bei aller Niedlichkeit sind die vierbeinigen Herrscher der Insel auch vier Jahre später erfrischend unverschämter als die vollgekifften Parkbettler in Nara. Die Besucher halten sich zwar an das Fütterungsverbot, aber die Tiere haben sich in meiner Abwesenheit zu organisierter Kriminalität aufgeschwungen. Gangs von Paarhufern belagerten die Futterbuden der Touristen, und unschuldige alte Damen wurden heimtückisch überfallen.

Dieser Händler hatte es gewagt, kein Schutzgeld zu zahlen. Die Bambi-Killerschwadron begegnet solchem Widerstand mit brutaler Gewalt.

 

Harmlose Oba-sans müssen hilflos mit ansehen, wie ein halbstarkes Reh ihre einzige Karte zerfetzt. Diese blutrünstigen Bestien bremsen nicht für Menschen.

 

Das putzige Dammwild setzte in meiner Frau soviel Endorphine frei, dass ich sie nicht nur widerstandslos bis zur Seilbahn lotsen konnte, sondern dort auch noch Anstandsfrei die Karten ohne Rückfahrt erstehen konnte. Die Beschilderung auf dem Weg zur Seilbahn fand ich persönlich ausgesprochen gelungen: „10 Minutes Walk (7 if run a little)“. Endlich wird den ehrgeizigeren Wanderern ein Ansporn gegeben.

Die Wanderung oben am Berg war einfach schön, und da will ich gar nicht so viel beschreiben, sondern einfach ein paar Eindrücke teilen.

 

Um den Tempel des ewigen Feuers standen verstreut kleine Buddhas. Ich fand sie ehrlich gesagt den deutschen Gartenzwergen nicht unähnlich…
Auch ein Gott hebt gern mal einen. Freundliche  Wanderer hatten hier ihre Sake-Gläser abgestellt. 

 

Glücklich am Gipfel. Frau und  Hirsch waren zufrieden.

 

Als wir vom Berg abgestiegen waren, riss auch endlich die Wolkendecke auf und wir naschten eine größere Ladung japanischer Köstlichkeiten, während wir an der Kaimauer die Sonne genossen. Und spätestens da war mir klar: Man kann keinen Tag so wiederholen, wie man ihn erlebt hat, sondern einfach nur das beste aus dem Neuen machen. Das gilt auch für die Japan Reise. Wir waren an vielen Orten, die ich bereits besucht hatte, und doch war für mich diese Reise wieder eine ganz eigene, neue Erfahrung.

Diese Erfahrung dann auch noch direkt teilen zu können ist etwas ganz besonderes, und ich bin sehr froh, dass Imogen bereit war, mit mir eine Crashtour durch Japan in den Flitterwochen zu machen. Wir haben noch so manches in dieser Zeit erlebt, für das einfach kein Platz mehr war, aber so haben wir wenigstens noch etwas zu erzählen, wenn wir wieder da sind.

Morgen werden wir nach Osaka fahren und uns auf den Flug nach Langkawi vorbereiten. Nach den ganzen Marschtagen hat sich Imogen die Woche am Strand redlich verdient, auch wenn wir beide traurig sind, uns von Japan verabschieden zu müssen. Aber wenigstens in einem Punkt bin ich getröstet: man soll aufhören, wenn es am Besten ist, und der heutige Tag ist dafür hervorragend qualifiziert.

Ich hoffe, es hat euch Spass gemacht, uns auf dieser Reise zu begleiten, und wir verabschieden uns von euch und Japan mit ein paar letzten Eindrücken von Miyajima.

Ein letzter wehmütiger Blick und dann heisst es Abschied nehmen.

Japan verleiht Flüüüügel 

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel – wir bereiten uns schon einmal darauf vor, bei der nächsten Reise noch mehr Berge zu besteigen, noch mehr Tempel zu besichtigen und mindestens einen tödlichen Dschungel zu durchqueren. Ganbatte ihr Weltenbummler!

Tag 13 Kyoto:One night in Kyoto

Da unsere Tage normal so dicht bepackt sind, dass wir gegen 2000 Uhr im Hotel auf die Betten fallen, hatte wir uns für den letzten Tag in Kyoto eine Abwechslung überlegt. So verbrachten wir den Vormittag und den Großteil des Nachmitags im Zimmer, und machten uns dann gegen Abends auf, einmal Kyoto bei Nacht zu erkunden.
Da ich bereits am Vortag auf den Yodobashi neugierig geworden bin, eine Art Turbo-Kaufhaus für eher männliches Publikum, erschlich ich mir mit Dackelblick eine Tour durch die interessantesten Abteilungen. So, die meisten dürfen jetzt abschalten, denn meine Begeisterung wird überwiegend so fesselnd sein wie eine Frau die vom Schuhekaufen erzählt. Nur dass Yodobashi viel viel viel besser ist!

Bereits am Eingang konnte sich der Otaku an einer opulenten virtuellen Speisekarte vorglühen 

 

Jedes denkbare und auch so manches undenkbare Gerät war hier erhältlich. Ob Kameras vom 10 Euro Knipser bis zur 5000 Euro Kamera mit einem Objektiv, das mit 50 Zentimeter und gut 8 kg nicht mehr richtig handlich war, ob Bausätze für Gundam oder eine der anderen Dutzenden Mech Serien, die beklopptesten Japan Only Videospiele – hier fand sich alles. Besonders lustig fand ich ein PS3 Spiel in Manga Optik, dessen einziger  Inhalt es war, möglichst erfolgreich in der Ubahn unter Röcke zu fotografieren und nicht erwischt zu werden. Oder Strip-Billard mit Schulmädchen. Oder Tokyo Zoo, wo Tokyo als postnukleare Geisterstadt von blutrünstigen Schosshunden beherrscht wird (in der Demo riss ein kleiner Pekinese einen Hirsch). Und all das wird nicht verstohlen unter der Ladentheke gehandelt, ich sah zwei Geschäftsmänner, die auf einmal wie kleine Jungs auf und ab hüpften und sich mit glücklichen „Sugoi“ Rufen das Ubahnspiel packten. Endlich in aller Ruhe sexuell belästigen ohne die nervigen Anzeigen!

 


Einer der vielen Gänge in der Modellbau Abteilung. Beim Kaufen bevorzugen die Männer die Roboter mit den größten und meisten Kanonen.

Ein Besuch in einem großen Kaufhaus ist sehr aufschlussreich, wie das Herz eines Japaners so tickt. Da ich für einen Hausgeräte Hersteller arbeite, wollte ich natürlich einmal checken, wie das in Japan aussieht. Ich denke es ist genug gesagt, dass die Hausgeräte Abteilung nicht einmal halb so groß war wie die Sektion, wo man sich für 100 Yen billiges Plastik Spielzeug aus Automaten ziehen konnte. Die wenigen verwaisten Geräte, die keine Reiskocher waren, standen ungewollt in einer Ecke und setzten Staub an. Das liegt daran, dass die Japaner mit ihrem sparsamen Platz zu Hause keine Küche wollen.

Dafür gibt es alle drei Meter ein kleines Lokal, und da sitzt immer jemand, der gerade isst. Und man kann es schon verstehen: Warum eine Küche und selber mit teuren Zutaten kochen, wenns um die Ecke ein Riesen Ramen für 450 Yen gibt?

Da meine Frau mit meinem Robinson Crusoe Gedächtnisbart  nicht restlos begeistert ist – ich finde ihn verwegen und man kann damit so schön  Japaner erschrecken – sichteten wir das ebenfalls sehr magere Rasierer Angebot. Es gab mehr elektrische Damenbart Stifte als Rasierer für Männer, und das Schönheitsideal war merkwürdig bis verstörend.


Wer würde sich von dieser Werbung zum Kauf animieren lassen? Könnte aber ein Verkaufsschlager im Glockenbach Viertel sein.

Irgendwann konnte mich Imogen dann doch von den vielen verrückten Sachen loseisen, und wir machten uns auf zur Kawaramachi-Sanjo. Hier ein bisschen Hilfe für den Reisenden: Kreuzungen großer Strassen bestehen aus den beiden Strassen Namen. Kreuzt also Kawaramachi-Dori  die Sanjo-Dori…  Damit verläuft man sich gleich viel seltener. Für das tapfere Ausharren im Maennerparadies  („Frau Wiedenmann, holen sie bitte ihren Mann bei den 3D Camcordern ab“) bekam Imogen erst einmal einen großen Frozen Yoghurt mit allen Schikanen. Ich glaube die Yami-Yoghurt Verkäuferin wird heute bei einem Schrein eine Münze für mich werfen, da ich Imogen das Bestellsystem erklärte. Man wählt die Größe der Grundportion, eines oder mehrere Toppings und eine oder mehrere Soßen.  Die Verkäuferin  war sprachlos verzweifelt, da ihr Englisch Wortschatz und das pantomimische Vokabular meiner Frau dieser Aufgabe nicht gewachsen waren.

 

Der Bestellvorgang hatte seine Tücken aber am Schluss hat’s geschmeckt. Man beachte, wie glücklich Imogen mit Essen und wie glücklich sie ohne Essen auf den Fotos ist.

Die Kawaramachi hat zwei sehr unterschiedliche Gesichter. Biegt man von der Hauptstraße in die westlichen Gassen, so ist man in der Shopping Zone. Es wirkt ein wenig wie ein Einkaufszentrum in einer amerikanischen Teenie Komödie. Herrlich ist, das selbst an einem Sonntag Abend um Neun noch viele Geschäfte offen haben.

 

Während die Frauen in Japan noch mit der Emanzipation kämpfen, haben die Rentner ein eisernes Regime. Hier ein Laden mit edlen Gehstoecken, für den Greis der sich wieder wie ein Samurai fühlen will. 

Richtig interessant aber ist die Ostseite der Kawaramachi. Hier ist das gesamte Nachtleben auf 2 Blocks in winzigen Gassen verstreut. Obwohl es Sonntag Abend war, strömten die Menschen durch die Strassen.  Leider war fotografieren nicht möglich, da alle 5 Meter ein freundlicher junger Mann im schwarzen Anzug und Tokyo Hotel look stand. Die Knaben mit dem lustigen 80er Wuschelkopf sind ein fester Bestandteil des japanischen Rotlichtmilieus und auch gerne mit der Yakuza verbandelt. Sie zu knipsen wäre mir zwar ein dokumentarisches Vergnügen gewesen, aber es ist reine Glückssache, wie humorvoll das der jeweilige Kerl sieht.

Die meisten sind ja harmlos und einfach dafür da, den alleine gehenden Damen oder Herren einen ganz tollen Club zu empfehlen. Man darf sich aber nicht wundern, wenn das ein handfester Stripclub oder ein sogenannter Gentlemens Club ist. Wer einem „Host“ bzw. „Hawker“ folgt, weiß in Japan normal, worauf  er sich einlässt. Als Paar hier entlang zu gehen ist sehr angenehm, da man weder von den Männern noch von den Frauen angesprochen wird. Auch extrem aufgebrezelte junge Frauen standen im Spalier vor Bars mit abwechslungsreichen Namen wie „Lady“ oder „Sunshine“ oder auch „Sunshine Lady“.

Allein gehende Männer werden angeblinkert, und weil der Mann spontan soooo sympathisch ist, kann er doch mit zum Tänzen kommen. Drin verschwinden die Frauen in der Menge, und der Barkeeper präsentiert fröhlich eine Rechnung von gut 100 Euro für ein paar Bier. Da ich im allgemeinen sehr gutgläubig bin, hatte man mir das bei meiner ersten Reise eingebläut, und in dieser Strasse konnte man das wunderbar beobachten.

In den Strassen und Gassen wimmelte es vor gutgelaunten Japanern. Anfangs waren wir erstaunt, wieviel gelacht, gescherzt und sogar für japanische Verhältnisse schon sehr unanständig Händchen gehalten wurde. Als dann aber zum dritten Mal ein breit grinsender Mann mit feuerroter Nase auf die Strasse stolperte, bemerkten wir, dass wir so ziemlich die einzigen nicht Betrunkenen waren. Vor allem die Frauen waren oft besser betankt als ein Übersee Frachtschiff.

 

Schlucken, sitzen, schmusen: Dank Alkohol enthemmt kuschelten sich viele Paare am Flussufer zusammen. Wer denkt ich übertreibe  – jedes Händchen haltende Paar hatte eine Fahne, bei der jeder Kinder schon vom Einatmen einen Vollrausch bekommen hatten.

 

Wenigstens klärte diese Liebesmeile unsere Frage vom Vortag: Während in Bayern die Biergestuetzte Beziehungsfindung im großen Stil eher auf das Oktoberfest begrenzt ist, sichert der Alkohol in Japan den Arterhalt. Das hört sich jetzt gemein an, aber wenn man im Kontrast sieht, wie kontrolliert, höflich und zurückhaltend die Menschen im Alltag sind, dass ich da schon mitleide, und dann die ausgelassene Stimmung am Abend, dann kann man sich sehr gut vorstellen, wie sich die Leute hier erstmal etwas Mut antrinken, bevors persönlich wird.

Den Abend schlossen wir mit einem romantischen Verirren im Kyotoer Hauptbahnhof ab. Dieses riesige Gebäude ist ebenso eindrucksvoll wie verwirrend, da es bis zu 10 Etagen in die Höhe geht, die ohne ersichtliche Logik wild miteinander verbunden sind. Die Enwohner Kyotos mögen den Bahnhof nicht, da er ihnen zu  wenig traditionell ist, aber bei Leuten, die bei einem Kunsthandwerksladen neben  Kalliegraphiepinseln Disney Flaggen verkaufen, wirkt so ein Argument etwas dünn.

Eine der vielen Hallen im Bahnhof Kyotos. Hier kann man sich nach Herzenslust verlaufen.

 

Auf der Suche nach einem Ausgang kamen wir zu einer schönen Dachpassage, wie wie Perlen an einer Schnur im 10 Meter Abstand Pärchen saßen. Wenn einfach wenig Platz ist, lernt man anscheinend, sich seine Intimsphäre auch im öffentlichen Raum zu nehmen. Oder es kann daran liegen, dass auch hier die Augen nicht nur vom Fieber der Liebe glasig waren. Mein Mitgefuehlspreis des Abends geht an einen jungen Mann, dessen Verabredung besinnungslos an einer Säule lag. Er saß mit geknicktem Gesichtsausdruck da, und versuchte der Frau ab und zu etwas Tee einzuflößen. Wie muss das sein, wenn man sich bei der Verabredung nicht nur über seine Klamotten Gedanken machen muss, sondern auch noch die perfekte Balance zwischen gemeinsamen Mut antrinken und den anderen nicht an einen Vollrausch verlieren finden muss?

Wir haben das da einfacher: Ich drückte die Hand meiner Frau, genoss ihr liebevolles Lächeln, und wir gingen Hand in Hand zum Hotel zurück.

Tag 12 Kyoto : Sie koennen soviel fahren wie sie wollen. Wir liefen weiter als wir konnten.

So langsam nähert sich das Ende unserer Japanreise. Auf dem Papier fliegen wir in 5 Tagen ab, aber es gibt so vieles zu sehen und erleben, dass sich bei mir schon ein bisschen der Abschiedsblues ankündigt. Natürlich gibt es den einen oder anderen Tag, wo man sich nach zig schönen Orten und vielen Tageskilometern ein wenig reisemuede fühlt, aber das verfliegt schnell bei dem Gedanken, wie schoen das erlebte ist. Dazu kommt, dass ich Japan ausgesprochen gerne mag, da ich mich bei den Japanern sehr wohl fühle. Die Leute sind technikbegeistert, fröhlich und in allem enthusiastisch. Das ist wirklich ansteckend. Imogen gefällt es hier ebenfalls sehr, wenn auch aus anderen Gründen. Die meisten Pluspunkte verdient Japan aus Sicht (m)einer Frau, dass es so gut wie an jeder Ecke blitzsaubere, gratis benutzbare öffentliche Toiletten gibt. Für den weiblichen Harndrang ist auf eine Art und Weise gesorgt, dass es für mich schon beinahe etwas religiös-fanatisches hat. Pragmatisch betrachtet trinken die Leute hier allerdings unmengen grünen Tee, da drückt es dem Volk auch mehr auf der Blase.

 

Mit solch fürstlicher Versorgung lässt sich die Frau auch auf längere Unternehmungen locken, und so nutzten wir einen herrlich sonnigen Tag, um das Kyoto Bus Tagesticket ordentlich auszureizen. Soviel kann ich vorneweg verraten: All you can Bus ist wie all you can eat – wer hier den Wirt armfressen will, verrenkt sich vorher den Magen.

 

Deutscher Erfindergeist trifft japanische Technologie: Mein patentiertes Sockenschnelltrockungsverfahren. Bei nicht frisch gewaschenen Socken nur in gut gelüfteten Räumen anwenden!

 

Für eine handvoll Yen: dieser handliche Muenzhaufen ist der genau abgezählte Betrag für zwei Tageskarten. Die Angestellten am Schalter freuten sich aus unerfindlichen Gründen nicht über unsere Kreative bezahlweise.  

 

Bereits am frühen Morgen saßen wir im Bus zum Kiyomizu Tempel, der für seine Steilhang Lage und die heilkräftige Quelle (mizu = Wasser) bekannt ist. Auch bei diesem Schrein setzten sich zwei unserer Sightseeing Themen fort: erstens werden momentan ca. 30% aller Schreine in Japan restauriert und in formschönen Baugeruesten verpackt, und zweitens ist das Erleben körperlicher Limits eine stete Herausforderung für meine Frau und mich.

Auf uns wirkte Kiyomizu ein wenig wie ein spirituelles Disneyland. Bereits direkt am Eingang gab es zwei eiserne Speere, an denen die Touristen in bester Hau den Lukas Manier ihre Kräfte erproben konnten. Bei dem kleineren schafften dies viele (er wog nur ca. 25 kg). Der groessere ist der Speer von Benkai, ein legendaeren Kriegermoench, der das Ding als Waffe geführt haben soll. Angesichts der gut 100 kilo Gewicht und dem sehr glatten Metall kann ich mir das aber nur schwer vorstellen. Obwohl ich mich wirklich angestrengt habe, rutschte ich immer wieder ab und bekam das Ding einfach nicht in die Höhe. Bei Flitterwochen eine missverständliche Aussage, ich meine damit natürlich diesen Eisenspeer. Also…. Wahrscheinlich sage ich besser einfach nichts mehr.

 

Ordentliches Besichtigen ist anstrengend. Wir konnten sehr gut nachempfinden, wie es dem Jungen ging.

 

Ich beim Aufwärmen vor dem großen Benkai Speer. Am Abend habe ich dann nachgelesen, wie man ihn anheben kann. Es gibt einfach unter dem oberen Holzrahmen einen bequemen Haltegriff. Wenn ihr die Leute beeindrucken wollt, merkt euch das.

 

Aber wo ich schon so eine schöne Überleitung habe: Die zweite Attraktion waren die beiden Liebessteine. Der Legende nach sind diese Felsen dem Gott der Liebe gesegnet, dessen treuer Helfer ein ziemlich psychopathisch aussehender Hase mit feuerroten Augen ist. Wenn man nun den ersten Felsen mit geschlossenen Augen berührt und dann blind zum zweiten Felsen läuft (ca. 20 Meter), findet man angeblich seinen Partner fürs Leben. Für eine leichte Ironie sorgte, dass die meisten Anwärter scheiterten, weil sie in den dichtgepackten Touristenmassen hängen blieben. Das war bestes Zen: Bei der Suche nach dem wahren Partner werden wir durch zu viele Menschen abgelenkt.

Gleich um die Ecke des zweiten Liebessteins stand noch ein kleiner Schrein für den Schutzgott der Frauen. Hinter diesem Schrein steht eine Zeder, an der japanische Frauen Voodoopuppen ihrer Feinde genagelt haben, damit der Schutzgott den Herren saures gibt. Es ist müßig zu erwähnen, dass der Baum unzählige Löcher von Nägeln hat.

Der Liebesgott und sein Helfer, Psychohase. Meine Bewerbung als Liebesgott in Ausbildung wurde leider trotz der überzeugenden Darbietung knapp abgelehnt. 

Fotobewertung nach dem Zieleinlauf. Der kritische Schiedsrichter urteilt über das Liebesglück hoffnungsvoller junger Japanerinnen.

 

Imogen beim symbolischen Feinde verfluchen. Wir haben zwar gar keine, aber ein bisschen Fluch auf Vorrat ist doch ein gutes Gefühl. Mir war nur etwas unheimlich, mit welcher Begeisterung sie das durchführte. Memo an mich: extra lieb zur Frau sein!

 

Den Schluck aus der heiligen Quelle sparten wir uns dann. Es standen mehr Leute an als beim Bananentag in der damaligen DDR und Heilkräfte bringen nichts, wenn man vorher an Altersschwäche gestorben ist.

Um auch einen Bildungsanspruch zu erfüllen: Drei Wasserstrahlen, drei Wirkungen. Gesundheit, Liebe und Erfolg bei Prüfungen sind im Angebot. Von allen dreien zu trinken gilt als gierig.

 

Anschliessend fuhren wir mit dem Bus Richtung Ginkakuji (silberner Pavillon), und stiegen zwei Stationen vorher aus, um uns dem Schrein über die Strasse der Philosophen zu nähern. Und hier war im wahrsten Sinne des Wortes der Weg das Ziel, da wir diesen Pfad zuerst nicht gefunden haben. Wir fanden zwei junge Japanerinnen im Kimono, die geduldig unsere Frage anhörten, aufmerksam die Karte studierten und dann den berühmten „Space Out“ Blick bekamen. Um nicht bis zum nächsten Tag in verlegener Stille zu verharren, fragte ich noch einmal nach und erfuhr, dass auch die Japanerinnen Touristinnen waren. Und sie hatten sich offensichtlich hoffnungslos verlaufen, denn kaum waren wir weitergegangen, hefteten sie sich unaufdringlich mit ca. 50 Meter Abstand an uns. Ich fühlte mich wie ein stolzer Entenhäuptling , dem die Kücken folgen. Lag vielleicht auch daran, dass ich trotz Planlosigkeit unerschütterliche Zuversicht ausstrahlte: Ein Mann verirrt sich nie. Er wird nur gelegentlich von heimtückischen Ortswechseln seiner Umgebung überfallen.

Mit einem kleinen Umweg fanden wir dann auch die Strasse der Philosophen und folgten ihr ergriffen. Eine Erkenntnis jagte hier die nächste: ich erkenne, dass die Füße schmerzen. Wenn auf dem Philosophenweg keine Philosophen sind, ist es trotzdem heiß. Das Wasser fließt wie das Sein, aber im Moment hab ich einfach einen Mords Durst.  Wenn ein Tourist in den Bach fällt, und keiner zieht ihn raus, ist er dann nass?

 

Werde ich beim Tempel viel Essen und Trinken oder sehr viel? Gedanken von unergründlicher Tiefe kommen beim Weg der Philosophen wie von selbst.

 

Für meine Frau war der schönste Moment dieses Weges wohl die Futterbuden beim Schrein. Wir waren bereits 5 Stunden unterwegs, und so stürzte sie sich auf alles, das essbar war. Besonders begeistert war sie von den eingelegten Gurken am Spieß. Die waren wirklich lecker und bei der Hitze genau das richtige, wenn auch in dem Aussehen etwas gewohnungsbeduerftig. Die Japaner vertilgen diese Gurken in Massen.
Nach einer gründlichen Wanderung durch den schönen Garten des Ginkakuji war die nächste Busfahrt zum Fluss fällig. Anscheinend sind Flussufer international genormte Entspannungsorte, da sich hier die Japaner vom Japaner sein erholten und wie ganz normale Menschen picknickten, spazieren gingen, schliefen, oder musizierten. Ja, musizierten. Im Gegenzug zu den unmotivierten Bongobummlern in Englischen Garten übten hier komplette Blechbläserensembles. Da liegt aber auch daran, dass üben zu Hause aufgrund der (nicht sprichwörtlich sondern wortwörtlich) Wände aus  Papier schwer möglich ist.

Wir liessen uns in der Nähe eines größere Picknicks nieder und beobachten junge erwachsene Japaner beim Anbandeln. Das war wie eine Zeitreise in die Kindheit:  es wurde Räuber und Gendarme gespielt, Völkerball, oder blinde Kuh, und immer wurde jede Gelegenheit genutzt, um einmal herzhaft „aus Versehen“ zuzupacken (die Männer) bzw. laut zu kichern und davonzulaufen (die Frauen). Entweder gibt es eine geheime weitere Stufe, wie da dann doch noch zeugungsfähige Paare daraus werden, oder der Japaner genießt die spaßigen Teile des Lebens und überlässt den Bevoelkerungserhalt geheimen unterirdischen Klonlabors. Ich tippe auf zweiteres.

Wer niemand zum Räubern oder Gendarmieren hatte, meditierte eben solo

 

Was nun folgte, ist mir aus der heutigen Sicht nicht ganz schlüssig: Nach dem Ausruhen am Fluss waren wir zumindest aus dem Tal des Elends in die Strasse der Erschöpfung eingebogen. Dennoch beschlossen wir, noch einen kleinen Abstecher durch den Park des Imperialen Palasts zu machen. Und kleiner Abstecher ist hier relativ: Abkürzungen sind nicht wirklich möglich, und der Park ist sehr weitflächig.

Die großzügige Gestaltung der Flächen dort übte einen zermürbenden Charme auf uns aus, da zumindest ich nur noch unendliche Kieswege sah. Meine Frau war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr wirklich ansprechbar, aber ich glaube, sie hat ihre letzten Reserven mobilisiert. Ihr „jetzt gehen wir aber schon langsam zurück ins Hotel“ ließ im Ton keinen Zweifel, dass dies eine Aussage und kein Diskussionsangebot war.

Ich bin schon sehr gespannt, wie sehr sie sich darüber freut, dass wir übermorgen noch die Insel Miyajima abklappern. Sie hat bei meiner Ankündigung, dass die Strecken bisher gegen den Berg dort kinderleichtes Aufwärmtraining waren mit einem strahlenden Lächeln reagiert. Also zumindest habe ich ihre Zähne gesehen. Das Busticket hat die Stadt übrigens nicht Arm gemacht. Wir haben es gerade so geschafft, genügend der überfüllten Busse zu nehmen, um nicht teurer als Einzelfahrten zu kommen. Das nächste Mal werde ich nicht versuchen, die perfekte Nutzung einer Tageskarte zu forcieren.

Der imperiale Park in Kyoto. Unendliche Weiten….

 

Tag 10 + 11 Kyoto : Mit Liebe aus Japan

Japan ist ein Land mit hunderttausend Reizen. Bestimmt gibt es da gute Studien, weshalb sich eine hohe Bevölkerungsdichte insofern auswirkt, dass kulturell der Schwenk von Schlichtheit und Ästhetik zu knalligsten Farben und Kitsch gemacht wird. Für den Besucher ist dieser Kontrast mitunter etwas schwer verdaulich. Gestern war der nächste Reisetag, und so packten wir Hoelli unseren Todeskoffer und machten uns auf den Weg nach Kyoto.

   

Eine der dezenteren Sendungen zur Frühstückszeit. Wenn ein Kind mit so etwas aufwächst, wird es keine Umweltreize mehr geben, die es als Erwachsenen von der Arbeit ablenken. Das Geheimnis der japanischen Wirtschaft ist gelüftet.

Der Koffer ist nun auch im Halb-Pappe Halb-Holz Boden gebrochen. Konkret bedeutet das, dass beim Hinuntertragen dem werten Packesel eine unfreiwillige Akupunktur mit scharfen Spitzen verpasst wird. Nach einer laengeren Treppe fuehlt man sich, als ob man vergeblich versucht haette, ein Stachelschwein zu vergewaltigen. 

Da wir sehr früh dran waren, und deswegen einchecken noch nicht möglich war, beschlossen wir die Zeit wieder einmal für eine Erkundungstour zu nutzen. Das ist an sich in Kyoto sehr lohnenswert, nur hatte ich die Temperatur ein wenig unterschätzt. Tapfer schleiften wir uns zu dem schönen Park des goldenen Pavillons. Unser Timing war nicht so ganz Ideal, da anscheinend die gesamten japanischen Schulen ihre Kinder vorgestern nach Nara und gestern nach Kyoto geschickt haben. Und so wateten wir durch eine Flut an Schulkindern, ich mit immer roeter werdender Haut und Imogen mit einer feuerroten Nase, da sie auf irgend etwas in der Luft allergisch war. Da waren wir nun, an einem Ort des UNESCO Weltkulturerbes, und beide zu erschöpft, um den Fotoapparat zu heben und noch ein Bild zu machen. 


Hier war es noch relativ leer. Wo waren die kleinen bunten Außerirdischen aus dem Fernsehen um die Kinder mitzunehmen?
Fein gekleidete Damen auf dem Weg in den Pavillon zum Tee trinken. Da war’s natürlich schoen ruhig.

An sich gibt es gar nicht viel mehr zu erzählen – manchmal nimmt man sich einfach zu viel vor. Ich war bis in die Haarspitzen motiviert, meiner geliebten Frau dieses Highlight japanischer Architektur als ultimatives Erlebniszu gestalten, aber der Funke wollte nicht ganz zünden. Das liegt weniger am Ort als vielmehr vielleicht daran, dass wir seit Tagen nichts anderes machen, als von Tempel zu Tempel und Park zu Park zu marschieren. Bei so vielen Eindrücken ist der Geist einfach satt. 

Als wir dann noch in ein fast schon als konstruktiv zu bezeichnendes Interview mit einer weiteren Schuelergruppe gerieten, erfuhren wir von einem schönen Zen-Garten und marschierten dort hin. Hier waren viel weniger Menschen, und wir ruhten unsere Augen damit aus, indem wir einfach gedankenverloren auf die 10x25m weißen Kies blickten.  

Die wahre Wirkung entfaltet der Zengarten, wenn man an japanischer Reizflut leidet. Da ist dieses weniger plötzlich viel mehr.



Der Steingarten wurde von vielen Leuten genutzt, um ein bisschen ihre Augen auszuruhen… Äh meditieren.

Am Abend war dann ein Stop bei klassischem amerikanischen Fastfood nötig. Das japanische Essen schmeckt super, aber nach einer Woche Reis, hauchdünnen Scheiben von Fleisch und Fisch mit Fisch und Fisch habe ich einfach ein billiges Stück Hackfleisch in Form eines Hamburgers gebraucht. 

Als ich danach noch im Hotel duschte, war meine Haut in einem eleganten tiefen Dunkelrot. Wir hatten den ganzen Tag über eine Diskussion, dass ich mich eincremen soll. Ich finde man klebt dann aber den ganzen Tag, also vertraute ich auf die Macht männlicher Physis und setzte mich gegen meine Frau durch. Ein herrliches Beispiel für einen Pyrrhussieg: Heute sitze ich geschafft im Hotelzimmer und versuche, die verbrannte Haut zu kühlen, während Imogen mit der ihr eigenen Energie herumwuselt und bereits zwei Einkaufstouren gemacht hat. 

Am Ende hat mich heute Abend doch noch einmal der Reiz gelockt, ein bisschen was zu unternehmen. Um etwas männliches zu vollbringen, ging ich mit Imogen zum Currypalast, wo ich bei meiner letzten Reise die verschiedenen Schaerfestufen probiert habe. Da ich das letzte Mal genau getestet hatte, wo mein Limit liegt, orderte ich Stufe 7 von 10 mit größerem Reis. Meine Frau nahm das Spinat Curry mit Schärfe Grad 0. Nach einem halben Teller probierte ich einmal bei ihr, konnte das Babymilde Gericht aber nicht erfassen.

Es war super lecker, und um ein Haar wäre mir das „Perfect Game“ gelungen, aber nach 2/3 der Portion lösten sich erste Teile meines Gaumens auf, und ich müsste noch eisgekühlte Milch nachbestellen. Der Restaurant Chef lächelte wissend und drückte mir diskret noch eine kleine Dose mit „Gum Syrup“ in die Hand. Das ist wirklich ein Wunderzeug, man spült das einmal durch den Mund, und das lodernde Inferno weicht einer zuckersüßen Schmerzfreiheit.

Ein Curry der Stufe 7 benötigt bereits gründliche mentale Vorbereitung

Vor dem Beginn, alles entspannt

Bauch voll, Schweiß auf der Stirn – a bisserl brenna tuats scho

Als wir wieder beim Hotel waren, wollte ich unbedingt, wissen, was im Untergeschoss ist. Wir fanden mehrere kleine Restaurants, einen abgefahrenen Laden für japanische Trash Outfits, und die Schönheits Foto Automaten. Da wir einfach zu neugierig waren, beschlossen wir, diesen Automaten zu testen. Und wir haben selten mehr für vier Euro gelacht, auch die anwesenden jungen Japanerinnen hatten einen riesen Spass, uns zwei bekloppten Gaijin beim Foto machen zu beobachten. Ich mach mir jetzt noch in die Hosen, wenn ich daran denke, was der Automat aus einem macht. Da leider immer nur ein Exemplar gedruckt wird, und wir nicht kapiert haben,wie man die Mail verschickt, werden wir wohl noch einmal eine Runde drehen, da will man nie wieder einen anderen Fotoautomaten. Es werden sogar bei allen Fotos die Posen vorgegeben. Aber genug geredet – Bühne frei, Stefan und Immi „Lady in Tokyo“ Style!

Meine Frau vor der großen Verwandlung

KAWAIIIIIIIIIIIIII

SUPERU SPARKLU!

BRUTIFUL EYESU!

HERROOOOOO WE LOL YOU!

HAPPY ANNIVERSARYU!

WE HEART YOU!

Die fertig ausgedruckte Karte. Aus Produktionssicht an sich wirklich hochwertig. Das ist unsere neue offizielle Japan Flitterwochen Grusskarte

Tag 8 + 9 Nara: Kuscheltiere und Fragebogengangs

Bereits früh am Morgen ging es weiter Richtung Nara. Ich hatte ganz vergessen, wie Nara von Nikko aus liegt, und mit allen Regionalzuegen waren wir auf einmal den gesamten Tag unterwegs, bis wir in Nara waren. Dabei hatten wir jede Menge Gelegenheit, uns im komfortablen Hochgeschwindigkeitszug auszuruhen. Die japanischen Bahnangestellten lassen etwas den Eindruck eines Bienenstocks aufkommen, da jede Aufgabe schnell und effizient ausgeführt wird. Als unser Zug am Bahnhof Tokyo noch vorbereitet wurde, wuselten Mannschaften von Reinigungsdrohnen von Wagen zu Wagen und trimmten den Zug auf den Japanischen Hygiene Standard. Das bedeutet, dass ich mir ernsthaft überlege, meine Frau bei der Geburt des ersten Kindes nach Japan zu fahren und die Geburt im Shinkansen einzuleiten, jeder normale Kreissaal ist eine Müllhalde dagegen. 

   

Erstes Testsitzen, jetzt entspannen und pressen.



Wir sind Reinigungspersonal. Widerstand ist zwecklos.

Als wir dann endlich in Nara ankamen, goss es – welch Überraschung – wieder aus allen Rohren. Ich hab’s sonst nicht so mit dem Wetter, aber in diesem Moment habe ich das doch persönlich genommen. Wir reisen bei strahlendem Sonnenschein ab, und wenn wir dann mit dem riesigen Koffer am Zielbahnhof stehen, sind die 10% Niederschlagswahrscheinlichkeit in einen Wolkenbruch ausgeartet. Nicht, dass der Koffer nicht eh schon eine Katastrophe ist. Wir haben ihn schon Judas getauft, da dieses einstige Schnäppchen aus Berlin nur in einem Punkt zuverlässig ist: Wenn man ihn bei einer besonders langen Treppe hochwuchten will, reißt auf halber Strecke der entsprechende Griff ab und eine  Kofferlawine walzt unschuldige japanische Bürger platt. Wenigstens hat der Koffer inzwischen nur noch einen Griff, danach kann  ich  aufhören so zu tun, als wuerde ich mein Gepäck beherrschen und nicht anders rum, und auf diesem Hoellending die Treppen nach unten reiten, während ich den Walkuerenritt jodle.

Im Hotel angekommen spürte Imogen, dass ich etwas benötige, um mit dem Universum meinen Frieden zu schließen. So erfragte sie, wo es etwas mit extra viel Fleisch zu essen gibt. Und in der Tat, obwohl wir auch bei dem Restaurant zuerst große Sorgen hatten, unser Geld wie beim Grillen in Tokyo zu verfeuern, da die Bedienung nicht ein einziges Wort englisch sprach, hatten wir mit Shabu-Shabu mehr Glück: Nicht nur konnten wir essen, bis wir halb gekugelt sind, sondern die Getränke waren auch noch dabei.



Shabu-Shabu ist die japanische Antwort auf Fondue. Man kocht Gemüse, Fleisch, einfach alles in dieser Schale. Die Kellner haetten sich bei meinem Anblick beinahe in die Küchenmesser geworfen, da an diesem Tag all you can eat ohne Zeitlimit war

Bitte noch ein Sake – die liebevolle Anfrage bei der Ehefrau wurde abgewiesen. War vielleicht auch besser so, sonst hatte ich mit den Fleischscheiben getanzt und die putzigen kleinen Kellner geknuddelt.

Am naechsten Morgen deckten wir uns mit einer gewaltigen Drei-Boxen-Voll-Koestlichkeiten Picknick Ladung ein. Mit dem Rucksack voller leckerem Essen machten wir uns auf den Weg zu den Tempelanlagen. Meine Frau hatte endlich die Gelegenheit, umfangreich das Wort „Kawaiiiiiiii“ zu ueben, da in der Innenstadt die ganzen Rehe aufs niedlichste Herumstanden. Gut ist ja auch nicht schwer, wenn man riesengrosse unschuldige Rehaugen hat. Mich beschäftigten eher praktische Überlegungen: gibt es bei diesem Überangebot an Wild ordentliche Rezepte, und was macht man mit den Tieren, die mit Herzverfettung einfach tot umfallen? Gibt es Kadaver-Beamte, die dafür sorgen, dass nicht traumatisierte Frauen und Schulkinder versorgt werden müssen? Bei so vielen frei laufenden Tieren, die ständig Leckereien bekommen und fetter als die sie fütternden Amerikanischen Touristen sind, muss doch immer wieder eines seinem Schöpfer gegenüber treten und mit einem zarten Mantel aus Fliegen die Luft aromatisch anreichern.

Heit gibt’s a Rehragout…



Aber wenn die dann so Süß aussehen, wird die Menueplanung von der Frau mit Todesdrohungen unterbrochen



Jung und alt holen sich ihre Dosis Niedlichkeit ab.

Nach diesem Spiessrutenlauf der Kuscheltiere kamen wir beim großen Todaij Tempel an. Das größte von Hand errichtete Holzgebaeude der Welt ist über meinen Humor hinaus erhaben und Imogen und ich haben die tolle Atmosphäre auf uns wirken lassen. Da wir gestern Abend nach meinem Sake-Fleischmassaker noch „Germanys Next Topmodel“ gekuckt hatten, probierten wir spaßeshalber ein paar der Posingtips für die Nachwuchsmodels aus. Und wir waren echt verblüfft, dass dabei wirklich geniale Fotos herauskommen, vom Unterhaltungswert für die Japaner einmal ganz abgesehen, wenn man „Jumps“, „Steps“ und „Bends“ einfordert und ablichtet.



Ein sogenannter „Jump“, also im Sprung geschossen. Meine Frau ist für mich eh die schönste, aber das sieht echt toll aus. Ach ja, berühmter Tempel im Hintergrund…



Imogen beim „Streichel wo es Dich schmerzt“ Buddha. Ich frag mich wie das rein technisch Leute mit Hämorriden machen.

Inzwischen hatte die Hautfarbe meiner Frau leicht grünliche Farbe angenommen und ihr entfuhr ab und zu ein unkontrollierbares Knurren. Das ist ein todsicheres Anzeichen für Hunger, denn wenn meine Liebste einen leeren Bauch hat, und ihre Geduld aufgebraucht ist, kann sie sich in ein Monstrum schierer Wut und Zerstörung verwandeln, vor dem sogar der unglaubliche Hulk seine geplatzten Hosen ziehen würde. Ich weiss nicht genau, wo mich heute wieder der Hafer gestochen hat, aber da wir ein grosses Picknick dabei hatten, wollte ich dieses mit Imogen auf dem Gipfel des Aussichtsberges von Nara einnehmen. Sie war ein bisschen misstrauisch, als sie den steilen Aufstieg sah, aber ich lockte sie mit der Versicherung, dass wir nach der nächsten Kurve da sind, zum Aufstieg. 

Und da waren sie wieder, meine zwei Probleme. Zum einen ist Imogen zwar sehr energetisch und unternehmungslustig, aber nicht sehr ausdauernd. Ich bin da eher wie ein Fels: Schwer ins Rollen zu bringen, aber dann eigentlich sehr zäh. Zum anderen war das romantische Bild eines Picknicks mit Ausblick so fest in meinem Hirn, dass ich übersah, dass für meine Frau Bergsteigen bei Unterzucker und Überhitzung eher unromantisch wirken. Ich versuchte, sie mit meiner guten Laune zu motivieren und als dies kläglich scheiterte, kamen die billigen Hinhaltetricks zum Zuge. Ich denke Evil Knievel muss sich ähnlich fühlen, wenn er auf einem brennenden Motorrad über eine Schlucht springt, und die Maschine immer schneller stürzt. Gerade als Imogen nicht mehr bereit war, mir zu Glauben, dass jetzt wirklich hinter der nächsten Biegung das Ziel erreicht ist, erreichten wir die Aussichtsstation. 

Nur noch ein paar Meter Schatz. Man beachte die leicht grünliche Hauffarbe meiner Frau.


„Geeeeeeehiiiiiiiiiirnnnnnn“ Imogen zwei Schritte vor dem Ziel und vier Schritte vor dem Amoklauf. Wenn ihr dumme Ideen habt, sorgt dafür, dass eure Frau einfach zu kaputt ist, um euch zu massakrieren.

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Die Opfergaben stehen rechtzeitig bereit, die Füße sind für eine Massage freigelegt, die Frau strahlt. Perfektes Timing erfordert jahrelange Übung und starke Nerven.

Grundregel der Evolution ist Anpassung und Lernen. Da ich hoffentlich keine darwinistische Sackgasse bin, lernte ich und verzichtete auf die geplante Restbesteigung und den romantischen 12 km Spaziergang durch die malerischen Hügel Naras. Stattdessen folgte ein leichter Stadtbummel, gemütliches am See sitzen, ein leckeres Eis für die tapfere Frau und mindestens 5 absurde Kurzdialoge mit japanischen Schulkindern. 

Vielleicht erinnert sich der geneigte Leser an meine Beobachtung zum japanischen Englischtalent, oder vielmehr dem Mangel daran. Nach Jahrzehnten verschollener japanischer Touristen, die auf Englisch nicht einmal nach dem Weg fragen können, scheint die japanische Regierung gemerkt zu haben, dass eine Sprache nicht Erlernbar ist, wenn man arme Schulkinder 5 Jahre lang Textbücher lesen lässt. Da in Nara viele ausländische Touristen unterwegs sind, werden also anscheinend jetzt die armen Kinder ins Fegefeuer praktischer Übung geworfen. Wo ich vor fünf Jahren einfach nur dem gierigen Dammwild ausweichen musste, lauerten jetzt an jeder Ecke kleine Grüppchen japanischer Schüler, die einen Fragebogen auf Englisch durchgehen mussten. Die Kinder sprachen einen artig mit „Herrro“ an, was ich auch meinen Kindern empfehlen wuerde, wenn sie wildfremde doppelt so große Erwachsene treffen. Es folgte in phonetisch gutem Englisch die Frage nach dem Namen, dem Heimatland, ob man Japan mag, und ob die Kinder ein Foto mit einem machen dürfen. 

Das ganze durchliefen Imogen und ich dreimal anstandslos, bis wir uns fragten, ob die Kinder überhaupt verstehen, was wir antworten. Als Imogen auf die unschuldige Frage „Herrrro, how ale you?“ mit einem freundlichen „Fine, and how are you?“ antwortete, blickte Imogen in vier ratlose, kleine und verzweifelte Gesichter. Der Lehrer der Kleinen eilte ihnen zu Hilfe, und so quaeckten uns die Knirpse erleichtert „I am hungry, thank you“ zurück. Selbst wenn man die Frage erwiderte, wo die Kinder denn herkamen, konnten sie nicht auf das Antworten, das sie vor zehn Sekunden selbst gefragt hatten. Also im Ansatz und in der Motivation volle Punkte, aber an der Umsetzung hapert es sehr. Als Ausgleich für unsere fiesen Gegenfragen erheiterte ich die Kinder dann mit Muskelmann- und Dragonball Fotos und meinem besten radebrechenden Japanisch „Nihongo sugoi desu!“ Irgendwann konnten wir dann aber einfach nicht mehr (wir waren anscheinend die einzigen Touristen, die den Kindern antworteten und wurden wohl als Geheimtipp fürs Mindestsoll durchgereicht) und beschlossen, den Abend im Hotelzimmer ausklingen zu lassen, um den Frageschwadronen zu entkommen. Trotzdem ihr Knirpse: Ganbatte! Ihr schafft das schon noch!


Englisch hin oder her, blödeln ist internationales Kommunikationsmedium