Tag 14 + 15 Hiroshima/Miyajima : Wenns am besten ist…

Der letzte Abschnitt unserer Japan Rundreise in den Flitterwochen war Hiroshima. Es schien uns passend, da diese Reise auch der Weg vom „Das ist mein aktueller Lebensabschnittsgefaehrte“ zu „Wir sind eine Familie“ war, und das in einem Land, wo die Menschen so nah an den Traditionen der Vergangenheit Leben und trotzdem mit begeistert der Zukunft entgegen gehen. Und was ist besser als letzter Ort als eine Stadt, wo der Fallout von Gestern der Strahlung von Heute begegnet?

 

Wobei das so eine Sache ist mit den radioaktiven Superkräften. Mein Haar ist immer noch voll, meine Frau leuchtet nicht im Dunkeln und viele der ausländischen Touristen (von denen es nicht weniger gab als bei meinem letzten Japan Trip) konnten überhaupt nicht verstehen, weshalb in Deutschland soviel Sorge wegen Fukushima besteht. Bei der Einheimischen Bevölkerung haben wir nichts bemerkt. Ich habe aufmerksam nach Geigerzählern oder anderem Schnickschnack gesucht, aber wirklich gar nichts war aufzutreiben. Und das liegt nicht daran, dass dem Japaner seine Gesundheit egal wäre: Mit der Angst um das leibliche Wohl wird in Japan sehr viel Geschäft mit zum Teil Haarsträubenden Produkten gemacht. Ich für meinen Teil empfehle herzlich gerne Japan als Reiseland, und meine Frau fühlt sich hier auch vollkommen sicher und gut aufgehoben.

 

Da wir uns nicht stressen, ist der Transfertag immer sehr unspektakulaer. Der Weg von Kyoto nach Hiroshima ist mit dem Shinkansen ein Katzensprung, also nutzen wir die Zeit, um einen neuen Zweitkoffer zu kaufen und im Yodobashi noch das eine oder andere Mitbringsel einzukaufen. Es ist zwar eine Herausforderung, dem japanischen Personal das Prinzip internationaler Einkäufe zu erklären, aber wenn man erst einmal das Zauberwort „Duty Free“ gelernt hat, packen die Verkäufer emsig ihre Stempel aus und heften einem einen halben Roman in den Reisepass. Dafür spart man sich dann aber 5% Steuern. Wichtig ist, dass man nicht aufgibt, bis die ihre Papiere rausholen. Da japanische Angestellte stets Lächeln weiß man nie, was sie jetzt auch verstanden haben. Sie erzählen einem Fröhlich ganz viele Sachen, denn der Japaner als Optimist geht davon aus, dass der andere entweder genug Japanisch kann oder ein Telepath ist. Bei merkwürdigen Gaijin schließlich nicht unwahrscheinlich. Was hier Wunder wirkt, ist ein freundliches, aber bestimmtes und vor allem oft wiederholtes „Wakaranai“. Ich weiß nicht einmal ob es grammatisch korrekt ist, aber in etwa heißt es „Ich hab nicht ein Wort von dem verstanden, was du gerade gesagt hast.“ Und solange es funktioniert (was es tut), verzichte ich gerne auf den  Preis für perfektes Japanisch.
Klassische Bürokratie aber ihr spart euch Geld damit.

 

Da wir bei den letzten Zugfahrten immer neidisch auf die köstlichen Brotzeitboxen der anderen Fahrgäste geschielt haben, während wir von den Zugbegleiterinnen überteuerte und ziemlich matschige Sandwiches kauften,  gönnten wir uns auch so eine Schachtel. Ich stelle mir gerne vor, wie ich vielleicht einmal neben meinem Hausgaertner auch noch einen eigenen Bento Box Packer habe. Der würde meine Kinder zu den unangefochtenen Königen beim Pausenbrot machen.

 

Dies Schachteln enthalten eine komplette Mahlzeit und sind liebevoll mit den Sehenswürdigkeiten der Bahnhofsstadt bedruckt. Die gehen weg wie warmer Reis.

Ein nettes Wurschtbrot hast du da. Ich? Ach nichts besonderes…

 

Der heutige Tag war dann ganz für das letzte Highlight der Japanreise gebucht: Die wirklich wunderschöne Insel Miyajima. Ich habe schon bei meiner letzten Reise davon geschwärmt. Mit den besten Erinnerungen ist das eine gefährliche Angelegenheit: Wenn man sie wiederholt, und es geht in die Hose, dann bleibt dem unvergesslichen Erlebnis von damals ein fader Beigeschmack. Aus genau dem gleichen Grund habe ich darauf verzichtet, mir hier noch einmal ein Kobe Steak zu gönnen. Sowohl in Kyoto als auch in Hiroshima bin ich an einigen Restaurants vorbeigelaufen, in deren Schaufenster dieses Stück fleischgewordene Glückseligkeit angeboten wurde. Mit zitternden Händen und aschfahlem Gesicht kaempfte ich mich an  den Laeden vorbei, aus denen ein so zarter Steak Geruch schwebte, dass mir die Tränen der Ergriffenheit in die Augen stiegen. So muss sich ein Junkie fühlen wenn er nie wieder rückfällig werden darf und dann beim besten Stoff der Welt vorbeigehen muss.

Äh ja wo war ich – stimmt, Miyajima. Also wenn ich einen Flecken Natur als mein Kobesteak des Landschaftsgenusses in Japan bezeichnen würde, dann wäre es diese Insel. Und weil das Leben eine fiese und ironische Angelegenheit ist, lief es erst einmal durchwachsen. Der Himmel war bedeckt, und so schien die Insel nicht wie ein grünes Juwel aus einem strahlend blauen Meer, sondern Imogens erster Kontakt mit der Insel war ein halbgraues Etwas, das sich vor den Bug des Fährschiffes legte.

Die traumhafte Aussicht vom Mount Misen mit extra ohne Aussicht.

Auch das Wahrzeichen der Insel, ein riesiges oranges Tori war am unteren Teil in ein abscheuliches Baugeruest gepackt. Ich finde es ja löblich, wenn man Kulturgut auch mal restauriert, aber wieso muss das Jahr des schwingenden Hammers ausgerechnet bei meinen Flitterwochen sein? Ich fühlte mich ein wenig wie ein Vater, der den perfekten Sopran seines Sohnes anpreist und dann kommt der Lümmel ausgerechnet bei der Premiere in den Stimmbruch.

Vielleicht war ich aber auch etwas kritisch im direkten Vergleich mit meinen Erinnerungen, denn Imogen verliebte sich spätestens beim ersten süßen Reh in die Insel. Natürlich punktet Miyajima mit unfairen Mitteln, denn kuschelige Tiere mit sooooo großen dunklen Augen würden wahrscheinlich selbst eine brennende Müllhalde für eine Frau zu einem Paradies machen.

Och ist das SÜÜÜÜÜSS!!! Mit den richtigen Schlüsselreizen sind Frauen leicht zufriedenzustellen. Höchstens Schokolade wirkt noch besser.  Hm, Rehe aus Schokolade…

Bei aller Niedlichkeit sind die vierbeinigen Herrscher der Insel auch vier Jahre später erfrischend unverschämter als die vollgekifften Parkbettler in Nara. Die Besucher halten sich zwar an das Fütterungsverbot, aber die Tiere haben sich in meiner Abwesenheit zu organisierter Kriminalität aufgeschwungen. Gangs von Paarhufern belagerten die Futterbuden der Touristen, und unschuldige alte Damen wurden heimtückisch überfallen.

Dieser Händler hatte es gewagt, kein Schutzgeld zu zahlen. Die Bambi-Killerschwadron begegnet solchem Widerstand mit brutaler Gewalt.

 

Harmlose Oba-sans müssen hilflos mit ansehen, wie ein halbstarkes Reh ihre einzige Karte zerfetzt. Diese blutrünstigen Bestien bremsen nicht für Menschen.

 

Das putzige Dammwild setzte in meiner Frau soviel Endorphine frei, dass ich sie nicht nur widerstandslos bis zur Seilbahn lotsen konnte, sondern dort auch noch Anstandsfrei die Karten ohne Rückfahrt erstehen konnte. Die Beschilderung auf dem Weg zur Seilbahn fand ich persönlich ausgesprochen gelungen: „10 Minutes Walk (7 if run a little)“. Endlich wird den ehrgeizigeren Wanderern ein Ansporn gegeben.

Die Wanderung oben am Berg war einfach schön, und da will ich gar nicht so viel beschreiben, sondern einfach ein paar Eindrücke teilen.

 

Um den Tempel des ewigen Feuers standen verstreut kleine Buddhas. Ich fand sie ehrlich gesagt den deutschen Gartenzwergen nicht unähnlich…
Auch ein Gott hebt gern mal einen. Freundliche  Wanderer hatten hier ihre Sake-Gläser abgestellt. 

 

Glücklich am Gipfel. Frau und  Hirsch waren zufrieden.

 

Als wir vom Berg abgestiegen waren, riss auch endlich die Wolkendecke auf und wir naschten eine größere Ladung japanischer Köstlichkeiten, während wir an der Kaimauer die Sonne genossen. Und spätestens da war mir klar: Man kann keinen Tag so wiederholen, wie man ihn erlebt hat, sondern einfach nur das beste aus dem Neuen machen. Das gilt auch für die Japan Reise. Wir waren an vielen Orten, die ich bereits besucht hatte, und doch war für mich diese Reise wieder eine ganz eigene, neue Erfahrung.

Diese Erfahrung dann auch noch direkt teilen zu können ist etwas ganz besonderes, und ich bin sehr froh, dass Imogen bereit war, mit mir eine Crashtour durch Japan in den Flitterwochen zu machen. Wir haben noch so manches in dieser Zeit erlebt, für das einfach kein Platz mehr war, aber so haben wir wenigstens noch etwas zu erzählen, wenn wir wieder da sind.

Morgen werden wir nach Osaka fahren und uns auf den Flug nach Langkawi vorbereiten. Nach den ganzen Marschtagen hat sich Imogen die Woche am Strand redlich verdient, auch wenn wir beide traurig sind, uns von Japan verabschieden zu müssen. Aber wenigstens in einem Punkt bin ich getröstet: man soll aufhören, wenn es am Besten ist, und der heutige Tag ist dafür hervorragend qualifiziert.

Ich hoffe, es hat euch Spass gemacht, uns auf dieser Reise zu begleiten, und wir verabschieden uns von euch und Japan mit ein paar letzten Eindrücken von Miyajima.

Ein letzter wehmütiger Blick und dann heisst es Abschied nehmen.

Japan verleiht Flüüüügel 

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel – wir bereiten uns schon einmal darauf vor, bei der nächsten Reise noch mehr Berge zu besteigen, noch mehr Tempel zu besichtigen und mindestens einen tödlichen Dschungel zu durchqueren. Ganbatte ihr Weltenbummler!
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