Echt angekommen

Ein ereignisreiches Jahr trennt uns von den aufregenden Klippen der Amalfi Küste und der traumhaften Sonne von Capri.
Nicht nur habe ich den behutsamen Schoß der BSH verlassen, nein, auch das heimelige Giesing wurde gegen das noch heimeligere Zorneding ausgetauscht, das man nun mit der gleichzeitigen Behausung durch drei Wiedenmann Familien getrost als eine Hochburg Wiedenmannisierter Zivilisation bezeichnen kann. Der Weg zum Bahnhof wird an der Westflanke mit gehisster internationaler buddhistischer Flagge vom Gartengroßmeister und geliebten Vater Papa Wiedenmann gehalten. An der Ostflanke hausen die jungen wilden Wiedenmänner(innen), unter der freigeistigen Leitung meines Bruders und mit meiner Schwägerin und meiner Nichte Jana, die sich auf dem besten Weg zu einer extrem coolen Teenagerin entwickelt. Das liegt vor allem daran, dass sie erfolgreich mit einer gesunden Begeisterung für moderne Technologie infiziert wurde und lieber über Zombies als über die neueste Beauty-Kollektion fachsimpelt. Mit dieser – wie ich finde – höchst genialen Lebensauffassung eckt sie leider bei den Tussis ihrer Schule an. Mal sehen ob diese geschminkten Schnepfen das immer noch so albern finden, wenn aus einem Labor der Weltuntergang entschlüpft. Wobei, Zombies suchen nach Gehirnen, insofern sind die wahrscheinlich automatisch getarnt.nbsp;divLast but not least wohnen meine bezaubernde Frau und ich beim Neubau Brückenkopf im Ortszentrum. Da der letzte Urlaub komplett mit Umzug belegt war, beschlossen wir, uns jetzt noch eine kleine Reise zu gönnen.
Die Route (geplant):
Europapark
Antwerpen
Gent
Nordsee (irgendwo)
Heim
Um für ein wenig Abwechslung zu Sorgen, durfte Imogen die ersten Hotels buchen. Angesichts der Mission Europapark sollte es in der Nähe liegen, ohne die Mondpreise eines Freizeitparkhotels zu erreichen. Ich gebe ja zu, dieser Stop ist eher meiner, denn das Kind im Manne will schließlich auch ein paar ordentliche G-Kräfte genießen.
Die erste kleine lebhafte Diskussion ergab sich an der Raststätte, als eine bei der Fahrt verrutschte Unterwäsche meinerseits Hinten etwas über den Gürtel ragte. Meine Frau schwört sie hätte mich liebevoll darauf hingewiesen, in meiner Erinnerung klingt es eher wie ein statisches rauschen und dann eine infernalische Stimme, die sagt: „Richt deine Kleidung ordentlich, so kann ich mich ja mit dir nicht blicken lassen.“ Nun, das teuflische ist in meiner Welt für störrische Kunden reserviert, und so ging ich automatisch in den Ghandi Modus: Mit einem freundlichen Lächeln ignorieren und passiven Widerstand leisten. Hungerstreik wäre noch eine gute Option (ich müsste mal wieder etwas Diät machen), scheitert aber an meinem zu großen Mitgefühl für köstliche Lebensmittel, die nicht der Bestimmung folgen dürfen, vom wertschätzendsten aller Gaumen voller Wonne verkostet zu werden.
Wenn ein unaufhaltsamer Wunsch auf eine unbewegliche Sturheit trifft, so war auch in diesem Fall das Resultat eine schmollende Ehefrau, die im Abstand von drei Schritten hinter mir her stapfte. Auch mein diplomatischer Hinweis, dass es aussehe als ob eine unterdrückte Afghanin hinter einem Pascha herläuft führte nicht zu einer romantischen Versöhnung. Aber ich bin mir sicher, die Flammen, die bei diesem Kommentar in ihren Augen loderten spiegelten die feurige Liebe meiner Frau zu mir wieder.
Meine ebenfalls positiven Gefühle für Imogen gegen die unsägliche Mühe, mir mein Hemd ordentlich in die Hose zu stecken abwägend beschloss ich dann doch dem Pfad des Friedens zu folgen. Aber Männer, Landsleute und unterdrückte – dies war kein schnöder Verrat. Dieser körperlichen Handlung des Aufgabe folgte ein flammender Monolog!
lt;einsetzen einer leisen Violinegt;Seit je her sind Männer geknechtet von den Adleraugen ihrer Gattinnen. Vom tiefen Streben nach Weltfrieden, unendlicher Energie (mein Favorit: Antimaterie oder wenns denn sein muss Kernfusion) und dem Fortschritt der menschliche Rasse beseelt ist unser männlicher Geist so sehr erfüllt, dass manchmal so lapidare Details wie Kleidung übersehen werden. Hat Archimedes seinen Anzug gebügelt, als er die Grundsteine zeitloser Mathematik legte? Nein, der sprang nackt mit einem Heureka! aus der Wanne! Gut, bei mir war es nichts so epochales, ABER ich war auch nicht nackt.
Ist Liebe nicht, dieses Streben wahrzunehmen und zu sagen: Ja, dieser Mann ist meiner! Mit einem ungünstig hängendem Hemd, aber dafür der Lösung für die Probleme des 21. Jahrhunderts!
Um es abzukürzen, meine Rede war ein leidenschaftlicher Kampf für die Rechte des modernen, zerstreuten Ehemannes. Das Hemd muss ich das nächste Mal trotzdem ohne Widerrede richten.
Das Navi führte uns dann wesentlich eher von der Autobahn als ich gedacht hätte, und mit jedem Kilometer abgelegener Landstrasse, der uns tiefer und schwärzesten Schwarzwald führte, wuchs das schlechte Gewissen meiner Frau: „Also Schatz, Du weisst ja, mir war es sehr wichtig, dass das Hotel schön ruhig ist“ (lt;RUMMSgt; lt;Lauter Jubelgt; sagt die Kegelbahn unter uns gerade). Eine halbe Stunde später, ein Hase und ein Fuchs baumelten an einem Baum, da es so abgeschieden war, dass sie selbst zum gute Nacht sagen zu deprimiert waren und sich erhängt hatten: „Also ich habe Rust bei der Suche mit angegeben“ „Mit welchem Suchradius, gleicher Kontinent???“
Die klare Luft eines Luftkurortes, geschwängert mit den schweren Dieselgasen eines Traktors vor uns. Ich beginne leicht zu halluzinieren aber fahre weiter, bis wir an ein (zugegebenermaßen sehr süßes) Gasthaus kommen: Unsere Bleibe für die nächsten zwei Tage. Ein älterer Herr ruft von oben: „Sen sie die Gäst?“ „Jo freilich!“
Aus dem hintergrund die Stimme eine Frau: „Sen des endlich die Gäst!“ Der Mann ruft zurück: „Ja die Gäst!“ Sein Schulterzucken und mein Nicken bestätigen in internationalem Männersprech: Das war seine Frau.
Nach einer langen Fahrt hatte ich noch Lust auf einen kleinen Schlummertrunk. Der Dialog war so schön, den muss ich einfach teilen.
Ich: „Ich hätt gern ein Bier“
Wirt: „Aaaah, ei Pils!“
Ich: „Na, Bier!“
Wirt: „Erdinger Weizen?“
Ich: „Um Himmels willen bloss nicht! Einfach ein Lagerbier.“
Wirt: „Sag ich doch: Ei Pils!“
So trank ich das erste Pils seit Jahren. Imogen wollte auch etwas:
Imogen: „Ich möchte etwas alkoholfreies, bitte.“
Wirt: „Erdinger Weissbier?“
Imogen: „Das ist doch Bier. Ich wollte eher etwas ohne Alkohol“
Wirt lt;triumphierendgt;: „Ei jo, des is ja dann alkoholfreies Erdinger Weissbier!“
Imogen: „Ich wollte eigentlich eine Schorle“
Wirt: „Rotweinschorle, Weissweinschorle?“
Imogen: „Also eher eine Schorle ohne Wein“
Wirt: „Wieso hans des ned glei gsacht! Wir han Spezi…“
Imogen lt;schnellgt;: „Apfel! Apfelschorle!“
Wirt: „Gross oder klein?“
Ich habe schon fast ein schlechtes Gewissen, denn wir sind wirklich die einzigen Gäste im gesamten Haus. Schade eigentlich, es ist alles gepflegt und die Landschaft herum ist wunderschön. Wie Imogen so schön sagte, hier ist alles ECHT. Die Tage werden zeigen welches ECHT.

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