Die Reise – eine Zusammenfassung

Mit einer guten Portion Herzschmerz in der Brust sitze ich im vollen Flieger nach Heathrow, während ich die ganze Reise noch einmal durchgehe. Ich habe mein Kobe-Steak bekommen, ein Kaiseki gefuttert, in einem Buddhistischen Tempel übernachtet, Mönchen beim Meditieren zugeschaut, japanisches Barbequeue gemacht, die verrückten Straßen des Tokyoter Nachtlebens überlebt, Berge bezwungen, Täler durchwandert, Flüße, Bäche, Seen, Gärten, Paläste und Tempel besichtigt, mit einigen Japanern Freundschaft geschlossen, bei einem Improkonzert mitgemacht, am bunten Trubel eines Hanami im Yoyogipark teilgenommen,, Karaoke gesungen, eine halbe Million Gräber bei Nacht und voller Blase überwandert, Zen-Yoga geübt, meditiert, mich mit rebellischen Rehen auf Miyajima gestritten, die Auswirkungen einer Atombombe im Friedensmuseum studiert und noch vieles mehr.
Insgesamt habe ich aus den überall vorhandenen Automaten 87 Flaschen Erfrischungsgetränke gezogen, 3867 Fotos gemacht, täglich im Schnitt 5 Stunden im Bett und eine Stunde im Zug geschlafen, 14 Städte und Orte bereist, gute 52 Stunden in japanischen Zügen zugebracht, in 7 Waschsitzungen auch das letzte Hemd verbrannt, 16 Unesco-Welterbe gesehen, 6 Mal geflucht, dass in japanischen Hotels keine Klobürsten angeboten werden, ein paar hundert Mal arigato gozaimasu und chotto matte gesagt, eine Flasche Hustensaft und 6 Aspirin verbraucht, 19 Schulklassen begrüßt und ein paar dutzend Mal ‚Takai des!‘ von japanischen Kleinkindern gehört.
Meinen Lesern danke ich für die Aufmerksamkeit, mir hat das Schreiben einen riesigen Spaß gemacht! Mir ist das Land – und besonders die Japaner – sehr ans Herz gewachsen. Durch mehrere ‚Pinky Promises‘ (Einhaken vom kleinen Finger) gebunden muss ich so oder so wieder hin, und das werde ich ausgesprochen gerne machen.
Nihonwa sugoi des!!!

Letzte Station: Nikko – Teil 2, der Kulturteil

Großes Glück schlägt doppelt zu, denn Nikko ist nicht nur wegen der Park Lodge einen Besuch wert. In der Tat könnte ich mir keinen schöneren Ort wünschen, um mich von diesem grandiosen, skurillen, ästhetischen Land zu verabschieden.


Die Pagode des Toshogu Schreins. Ich habe nochmal nachgelesen: Als Ersatz für das Fundament wird ein Pendel verwendet, das Innen aufgehängt ist.

Ich habe lange überlegt, ob ich Nikko als allerersten oder allerletzten Stop in Japan empfehlen soll. An sich ist es als erster Halt empfehlenswert, da man im Park Lodge mit unzähligen Inspirationen für seine weitere Reise versorgt wird. Aber auf der anderen Seite wird hier einem konzentriert das Beste von beiden Seiten Japans geboten: Die Tempelanlagen, allen voran der Tohagu-Tempel mit dem Sonnentor, sind nicht die größten Bauten mit den dicksten Buddhas, haben nicht die ältesten Bäume oder meisten Kois im Teich. Aber die Farbenvielfalt der Dekorationen und die zahllosen, feinstens gearbeiteten Details an jedem Bau suchen ihresgleichen. Wer diese Pracht gesehen hat, wird die anderen Tempel in Japan sicherlich noch genießen können, aber im Kontrast kommt einem alles sehr schlicht und streng vor. Das Beschreiben ist wirklich schwierig, deswegen will ich hier Bilder sprechen lassen:


Ein Teil der Tempelanlage von Toshogu. man beachte die Farbenvielfalt.


Das Sonnentor – lange nicht so riesig und Eindrucksvoll wie das Vortor der Daibutsu-den, aber in seiner Handwerkskunst, den Farben und den Details unübertroffen. Selbst nach einer halben Stunde findet man eine Kleinigkeit, die bis dahin entgangen war.


Solche kleinen Personengruppen zieren die unterste Leiste.


Farbenprächtige Drachenköpfe und filigran gearbeitete Goldeinlagen.


Das schlafende Kätzchen. Schützt vor Bösem und ist natürlich niedlich.


Alle inneren Tempelwände waren beidseitig mit Motivtafeln geschmückt.


Eine dieser Tafeln in der Nahaufnahme – vom Gesamtbild bis zur kleinsten Einzelheit, hier wurde alles bedacht.


Die berühmten drei Affen als Tempelrelief.


In dem Tempel gibt es auch ein weißes Pferd, das von der Neuseeländischen Regierung gestiftet wurde. Es ist das einzige heilige Pferd in Japan, und der Grund, warum in Nikko sehr viele Neuseeländer sind.


Eine der bunten Statuen, die in allen Toren als Wächter stehen.

Zum andern bietet Nikko auch eine herliche Landschaft: Nikko liegt wirklich im Grünen, und nur die Insel Miyajima kann mit der atemberaubenden Umgebung hier halbwegs mithalten. Ich habe eine Wandertour vom Yamato Onsen bis zu dem Ryozu Wasserfall gemacht.


Der Gebirgssee. Da er auch von den heißen Quellen gespeist wird, kann man auch mal statt klarer Bergluft eine fiese Schwefelschwade erwischen.


Einer der beiden Wasserfälle, die ich passiert habe.


Die Sumpflandschaft im Nationalpark von Nikko, im Hintergrund die Berge. So richtig zur Höchstleistung dreht die Gegend aber erst im Hochsommer auf.


Der Drachenkopf-Wasserfall.

Der Tag war auch voller wundersamer Erlebnisse, wie eine Neuseeländerin, der ich insgesamt 5 Mal mitten im Nirgendwo über den Weg gelaufen bin, ein tolles Abschiedskonzert in der Nikko Park Lodge und eine wüste Krötenorgie. Aber all dies gibt es dann im Detail von mir erzählt.

Letzte Station: Nikko – Teil 1, die Nikko Park Lodge

Ursprünglich stand Nikko nicht einmal auf meinem Reiseplan, und ich verdanke es einem reinen Zufall, dass ich beschlossen habe, als letzte Station vor Tokyo und dem Rückflug das kleine Städtchen Nikko anzusteuern. Direkt nach der Ankunft stand ich vor einem großen Problem: Ich wusste zwar, das am 29.04. ein Feiertag ist, aber nicht, dass dieser Feiertag zur sogenannten goldenen Woche ausgebaut wird. Sinnigerweise hatte ich die falsche Tourist Information gewählt, die keine Hotelreservierungen anbot, und so packte ich ein Bündel Prospekte, eine Tasche voll Kleingeld, und machte mich ans spannende Abenteuer der Hotelsuche. Nach 12 Anrufen war mein Münzvorrat übel dezimiert, und die sinkende Sonne stellte mir allmählich ein Ultimatum: Bleiben und auf das Glück hoffen und Notfalls auf der Straße schlafen, oder mit eingekniffenem Schwanz nach Tokyo. Da ich mich durch mehr Mut als Vernunft auszeichne, wählte ich Variante 1. Und tatsächlich, mit der sprichwörtlich letzten Münze fiel der Groschen: Ich versuchte es bei der Nikko Park Lodge, die laut Prospekt nur Doppelzimmer anbot.


Der erste Eindruck von Nikko: Grün, bergig, lauschig.

Der ausgesprochen muntere Angestellte bestätigte dies und konnte seine Überraschung nicht verbergen, als ich erklärte, dass ich eben für zwei Personen zahle (breit genug bin ich ja). Ich glaube er wollte echt meinen Geldbeutel schonen, aber das Zimmer ist gar nicht so teuer, und er gab mir sogar noch einen großzügigen Rabatt. An dieser Stelle hatte ich noch keine Ahnung, was für ein unverschämtes Glück ich hatte, aber bekanntlich ist das Glück ja mit den Du.. äh Tüchtigen. Gleich zu Beginn wurde ich vom Koch abgeholt, der mich auf dem Weg zum Einkaufen mitnahm. So besuchten wir einen Großmarkt und einen 100yen Markt, in dem man jeden möglichen Krempel für 100 Yen bekommt.


Ein japanischer 100 yen Laden.

Das Nikko Park Lodge ist die mit Abstand genialste und unterhaltsamste Unterkunft, die ich in Japan bezogen habe. Es ist eine Mischung aus Herberge, Berghütte, Mini-Hotel und Hardrock Café, ein winziger Holzbau im Stadtpark, der von einem ehemaligen japanischen Rockmusiker aus Tokyo geführt wird. Ken wird von Ryazu unterstützt, einem ehemaligen Shinto-Mönch aus Osaka, der neben seiner Aufgabe als Koch (rein veganisch) jeden Morgen um 07:00 Zen Yoga Stunden gibt (ich war dabei, eine klassische Stefan-Kataströdie).


Das Nikko Park Lodge. Einer der besten Orte, um in Japan zu Übernachten und meine Messlatte an Gastfreundschaft in Japan.

Des weiteren arbeiten für ihn eine zierliche Japanerin, die gut Französisch spricht, eine Neuseeländerin und eine Österreicherin aus Innsbruck. Jeder Gast wird von allen wie ein Familienmitglied begrüßt, und man muss/darf zuerst ein mal mit der ganzen Runde auf einen Tee in die Küche, wo einem enthusiastisch die tollsten Wanderwege rund um Nikko erläutert werden, während Ken Gemüse schnippelt, der Mönch die Pfannen schwingt und man selbst ständig Geschirr weiterreicht.


Der Gemeinschaftsraum. Abends lungern hier Menschen aus aller Welt, und jeder redet mit jedem.

Der zweite Dreh- und Angelpunkt ist der Gemeinschaftsraum, ein uriger großer Raum mit dunklen Holztischen, zwei gemütlichen Sofas, in denen ständig jemand herumlungert, und einem Verstärker samt E-Gitarre sowie zwei akkustische Gitarren. Abends versammeln sich die Gäste und Ken beweist an der E-Gitarre, dass auch Japaner verdammt gut abrocken können. Ab 22:00 beginnt die Abendruhe, und das schwere Gerät wird gegen die leiseren klassischen Gitarren getauscht. Erstaunlich, wie viel Leute Gitarre spielen können, und beim gemeinsamen Singen und Spielen kommt allerbeste Lagerfeuerstimmung auf. Das Publikum sind überwiegend westliche Touristen, und zum allergrößten Teil Neuseeländer. Das hat auch einen Grund, doch mehr dazu später. Alle sind Rucksackreisende um Mitte 20 bis 30, und allein wegen der Möglichkeit, sich in so einer tollen Atmosphäre mit vielen Leuten über die besten Ziele und Erlebnisse in Japan auszutauschen ist das Nikko Park Lodge ein klares MUSS für den Japanreisenden. Die Übernachtung selbst schießt einen in seine Jugend zurück, denn wer kein Doppelzimmer hat, schläft in Zimmern mit Stockbetten. Auch dort ist aber jedes Bett mit einer beheizbaren Matraze ausgerüstet, was die Nächte herrlich kuschelig macht.


Rechts der Mönch an der Klassik, Pete am Bass und links versteckt ein ehemaliger Bandkollege von Ken.

Zum krönenden Abschluss gab es gestern Abend noch ein Impro-Blues Konzert, mit Ken an der Leadgitarre, zwei weiteren Japanern als Verstärkung, Pete, einem jungen Neuseeländer am E-Bass, Daniel, einem Kanadier der im Norden Japans Grundschulkinder in Englisch unterrichtet, als Sänger und an der Mundharmonika, und meine Wenigkeit als Percussion an einem improvisierten Schlagzeug aus Dosen, Bierflaschen und einer leeren Tonne, wenn ich nicht gerade gefilmt habe.


Links nochmal ein Bandkollege von Ken, rechts daneben ein Freund von Ken, der zum Jammen gekommen ist. Er spielt auf einer echten Fender von 1960 und ist richtig gut.

Ken selbst scheint eine Art Anti-Foto Schutzfeld zu haben, da alle Aufnahmen von ihm unscharf geworden sind. Es war auf jeden Fall ein riesen Spaß, und dank dem Yoga heute Morgen bin ich gut in den Tag gekommen. Nikko Park Lodge – ich komme wieder!