Den Horizont erweitern

Die letzten Tage vor der Hochzeit verfliegen schneller, als man denkt. Während mir das vor ein paar Wochen sehr recht gewesen wäre, ist das jetzt doch ein bisschen unpraktisch, da ich private Dinge gerne zeitoptimiert (sprich auf den letzten Drücker) organisiere. Da bin ich jetzt doch dankbar, dass die bessere Hälfte etwas energischer dahinter war, so musste ich heute nur noch die letzten Feinheiten organisieren, denen die Brautnerven nicht mehr gewachsen waren. Ich habe mit Engelszungen die Blumenlieferanten betört, dass doch ein wahrer Künstler auch mit einem etwas kleineren Blumen-Budget ein fabelhaftes Ergebnis gelingt. Ich habe einen etwas verplanten Licht- und Tonverleih davon übereugt, dass eine Bestätigung 3 Tage der Hochzeit doch Balsam für die Brautseele ist, und wenn ich Morgen 1 Stunde vor dem Standesamt beim Friseur sitze, habe ich in der sprichwörtlich letzten Sekunde alles erledigt.
Wer denkt, dass das alles irgendwie verrückt ist, dem empfehle ich aufrichtig zu Heiraten. Denn das ist alles nur der Anfang. Man kann den eigenen Horizont enorm erweitern, denn man sieht Dinge, die einem sonst verwehrt sind. Dafür hatte ich heute ein hervorragendes Beispiel:
Ich telefonierte gerade mit meinem Bruder (ein entspanntes Gespräch mit 120 Dezibel, da sein Mobilfunkempfang jedem entvölkerten Landstrich in Neuseeland Konkurrenz gemacht hätte) als ich zufällig Richtung Bad blickte. In selbiges marschierte meine Verlobte in aller Seelenruhe und mit unbegrenzter Selbstverständlichkeit – splitterfasernackt und mit drei riesigen Glasgefäßen unter den Armen. Ich bin sehr versucht zu sagen: Jetzt habe ich alles gesehen. Aber dabei habe ich gleich Angst, dass das Universum diesen Fehdehandschuh aufgreift und mir noch etwas Absurderes liefert.
Zur Ehrenrettung muss ich sagen, dass der zugrundeliegende Gedankengang von Imogen durchaus logisch war: Sie wollte Duschen, und sie wollte die Glasgefäße für den Altar am Freitag reinigen. Wie sie das aber konkret umgesetzt hat, da reicht nicht einmal meine blühende Phantasie aus. Als angemessen eifersüchtiger Mann bitte ich auch von wüsten Spekulationen Abstand zu nehmen! Eines aber weiss ich sicher: Weder wäre ich jemals auf die Idee gekommen, noch habe ich die geringste Ahnung, wie man das im Ablauf bewerkstelligen soll, ohne einen Scherbentanz in der Badewanne zu veranstalten. Das Bad verlassen haben übrigens drei perfekt saubere Glasgefäße und eine ebenso gesäuberte Frau. Innerhalb von 10 Minuten. Und da frage ich mich: Wieso dauert sonst eine einfache Dusche gefühlte 2 Stunden??? Ich ziehe meinen Hut vor dieser Meisterleistung weiblichen Multitaskings, und bin schon gespannt, was mein nächster „Jetzt habe ich alles gesehen“ Moment wird.

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