Ursprünglich stand Nikko nicht einmal auf meinem Reiseplan, und ich verdanke es einem reinen Zufall, dass ich beschlossen habe, als letzte Station vor Tokyo und dem Rückflug das kleine Städtchen Nikko anzusteuern. Direkt nach der Ankunft stand ich vor einem großen Problem: Ich wusste zwar, das am 29.04. ein Feiertag ist, aber nicht, dass dieser Feiertag zur sogenannten goldenen Woche ausgebaut wird. Sinnigerweise hatte ich die falsche Tourist Information gewählt, die keine Hotelreservierungen anbot, und so packte ich ein Bündel Prospekte, eine Tasche voll Kleingeld, und machte mich ans spannende Abenteuer der Hotelsuche. Nach 12 Anrufen war mein Münzvorrat übel dezimiert, und die sinkende Sonne stellte mir allmählich ein Ultimatum: Bleiben und auf das Glück hoffen und Notfalls auf der Straße schlafen, oder mit eingekniffenem Schwanz nach Tokyo. Da ich mich durch mehr Mut als Vernunft auszeichne, wählte ich Variante 1. Und tatsächlich, mit der sprichwörtlich letzten Münze fiel der Groschen: Ich versuchte es bei der Nikko Park Lodge, die laut Prospekt nur Doppelzimmer anbot.
Der ausgesprochen muntere Angestellte bestätigte dies und konnte seine Überraschung nicht verbergen, als ich erklärte, dass ich eben für zwei Personen zahle (breit genug bin ich ja). Ich glaube er wollte echt meinen Geldbeutel schonen, aber das Zimmer ist gar nicht so teuer, und er gab mir sogar noch einen großzügigen Rabatt. An dieser Stelle hatte ich noch keine Ahnung, was für ein unverschämtes Glück ich hatte, aber bekanntlich ist das Glück ja mit den Du.. äh Tüchtigen. Gleich zu Beginn wurde ich vom Koch abgeholt, der mich auf dem Weg zum Einkaufen mitnahm. So besuchten wir einen Großmarkt und einen 100yen Markt, in dem man jeden möglichen Krempel für 100 Yen bekommt.
Das Nikko Park Lodge ist die mit Abstand genialste und unterhaltsamste Unterkunft, die ich in Japan bezogen habe. Es ist eine Mischung aus Herberge, Berghütte, Mini-Hotel und Hardrock Café, ein winziger Holzbau im Stadtpark, der von einem ehemaligen japanischen Rockmusiker aus Tokyo geführt wird. Ken wird von Ryazu unterstützt, einem ehemaligen Shinto-Mönch aus Osaka, der neben seiner Aufgabe als Koch (rein veganisch) jeden Morgen um 07:00 Zen Yoga Stunden gibt (ich war dabei, eine klassische Stefan-Kataströdie).
Das Nikko Park Lodge. Einer der besten Orte, um in Japan zu Übernachten und meine Messlatte an Gastfreundschaft in Japan.
Des weiteren arbeiten für ihn eine zierliche Japanerin, die gut Französisch spricht, eine Neuseeländerin und eine Österreicherin aus Innsbruck. Jeder Gast wird von allen wie ein Familienmitglied begrüßt, und man muss/darf zuerst ein mal mit der ganzen Runde auf einen Tee in die Küche, wo einem enthusiastisch die tollsten Wanderwege rund um Nikko erläutert werden, während Ken Gemüse schnippelt, der Mönch die Pfannen schwingt und man selbst ständig Geschirr weiterreicht.
Der zweite Dreh- und Angelpunkt ist der Gemeinschaftsraum, ein uriger großer Raum mit dunklen Holztischen, zwei gemütlichen Sofas, in denen ständig jemand herumlungert, und einem Verstärker samt E-Gitarre sowie zwei akkustische Gitarren. Abends versammeln sich die Gäste und Ken beweist an der E-Gitarre, dass auch Japaner verdammt gut abrocken können. Ab 22:00 beginnt die Abendruhe, und das schwere Gerät wird gegen die leiseren klassischen Gitarren getauscht. Erstaunlich, wie viel Leute Gitarre spielen können, und beim gemeinsamen Singen und Spielen kommt allerbeste Lagerfeuerstimmung auf. Das Publikum sind überwiegend westliche Touristen, und zum allergrößten Teil Neuseeländer. Das hat auch einen Grund, doch mehr dazu später. Alle sind Rucksackreisende um Mitte 20 bis 30, und allein wegen der Möglichkeit, sich in so einer tollen Atmosphäre mit vielen Leuten über die besten Ziele und Erlebnisse in Japan auszutauschen ist das Nikko Park Lodge ein klares MUSS für den Japanreisenden. Die Übernachtung selbst schießt einen in seine Jugend zurück, denn wer kein Doppelzimmer hat, schläft in Zimmern mit Stockbetten. Auch dort ist aber jedes Bett mit einer beheizbaren Matraze ausgerüstet, was die Nächte herrlich kuschelig macht.
Rechts der Mönch an der Klassik, Pete am Bass und links versteckt ein ehemaliger Bandkollege von Ken.
Zum krönenden Abschluss gab es gestern Abend noch ein Impro-Blues Konzert, mit Ken an der Leadgitarre, zwei weiteren Japanern als Verstärkung, Pete, einem jungen Neuseeländer am E-Bass, Daniel, einem Kanadier der im Norden Japans Grundschulkinder in Englisch unterrichtet, als Sänger und an der Mundharmonika, und meine Wenigkeit als Percussion an einem improvisierten Schlagzeug aus Dosen, Bierflaschen und einer leeren Tonne, wenn ich nicht gerade gefilmt habe.
Links nochmal ein Bandkollege von Ken, rechts daneben ein Freund von Ken, der zum Jammen gekommen ist. Er spielt auf einer echten Fender von 1960 und ist richtig gut.
Ken selbst scheint eine Art Anti-Foto Schutzfeld zu haben, da alle Aufnahmen von ihm unscharf geworden sind. Es war auf jeden Fall ein riesen Spaß, und dank dem Yoga heute Morgen bin ich gut in den Tag gekommen. Nikko Park Lodge – ich komme wieder!