Deutscher Erfindergeist trifft japanische Technologie: Mein patentiertes Sockenschnelltrockungsverfahren. Bei nicht frisch gewaschenen Socken nur in gut gelüfteten Räumen anwenden!
Für eine handvoll Yen: dieser handliche Muenzhaufen ist der genau abgezählte Betrag für zwei Tageskarten. Die Angestellten am Schalter freuten sich aus unerfindlichen Gründen nicht über unsere Kreative bezahlweise.
Bereits am frühen Morgen saßen wir im Bus zum Kiyomizu Tempel, der für seine Steilhang Lage und die heilkräftige Quelle (mizu = Wasser) bekannt ist. Auch bei diesem Schrein setzten sich zwei unserer Sightseeing Themen fort: erstens werden momentan ca. 30% aller Schreine in Japan restauriert und in formschönen Baugeruesten verpackt, und zweitens ist das Erleben körperlicher Limits eine stete Herausforderung für meine Frau und mich.
Auf uns wirkte Kiyomizu ein wenig wie ein spirituelles Disneyland. Bereits direkt am Eingang gab es zwei eiserne Speere, an denen die Touristen in bester Hau den Lukas Manier ihre Kräfte erproben konnten. Bei dem kleineren schafften dies viele (er wog nur ca. 25 kg). Der groessere ist der Speer von Benkai, ein legendaeren Kriegermoench, der das Ding als Waffe geführt haben soll. Angesichts der gut 100 kilo Gewicht und dem sehr glatten Metall kann ich mir das aber nur schwer vorstellen. Obwohl ich mich wirklich angestrengt habe, rutschte ich immer wieder ab und bekam das Ding einfach nicht in die Höhe. Bei Flitterwochen eine missverständliche Aussage, ich meine damit natürlich diesen Eisenspeer. Also…. Wahrscheinlich sage ich besser einfach nichts mehr.
Ordentliches Besichtigen ist anstrengend. Wir konnten sehr gut nachempfinden, wie es dem Jungen ging.
Ich beim Aufwärmen vor dem großen Benkai Speer. Am Abend habe ich dann nachgelesen, wie man ihn anheben kann. Es gibt einfach unter dem oberen Holzrahmen einen bequemen Haltegriff. Wenn ihr die Leute beeindrucken wollt, merkt euch das.
Aber wo ich schon so eine schöne Überleitung habe: Die zweite Attraktion waren die beiden Liebessteine. Der Legende nach sind diese Felsen dem Gott der Liebe gesegnet, dessen treuer Helfer ein ziemlich psychopathisch aussehender Hase mit feuerroten Augen ist. Wenn man nun den ersten Felsen mit geschlossenen Augen berührt und dann blind zum zweiten Felsen läuft (ca. 20 Meter), findet man angeblich seinen Partner fürs Leben. Für eine leichte Ironie sorgte, dass die meisten Anwärter scheiterten, weil sie in den dichtgepackten Touristenmassen hängen blieben. Das war bestes Zen: Bei der Suche nach dem wahren Partner werden wir durch zu viele Menschen abgelenkt.
Gleich um die Ecke des zweiten Liebessteins stand noch ein kleiner Schrein für den Schutzgott der Frauen. Hinter diesem Schrein steht eine Zeder, an der japanische Frauen Voodoopuppen ihrer Feinde genagelt haben, damit der Schutzgott den Herren saures gibt. Es ist müßig zu erwähnen, dass der Baum unzählige Löcher von Nägeln hat.
Der Liebesgott und sein Helfer, Psychohase. Meine Bewerbung als Liebesgott in Ausbildung wurde leider trotz der überzeugenden Darbietung knapp abgelehnt.
Den Schluck aus der heiligen Quelle sparten wir uns dann. Es standen mehr Leute an als beim Bananentag in der damaligen DDR und Heilkräfte bringen nichts, wenn man vorher an Altersschwäche gestorben ist.
Anschliessend fuhren wir mit dem Bus Richtung Ginkakuji (silberner Pavillon), und stiegen zwei Stationen vorher aus, um uns dem Schrein über die Strasse der Philosophen zu nähern. Und hier war im wahrsten Sinne des Wortes der Weg das Ziel, da wir diesen Pfad zuerst nicht gefunden haben. Wir fanden zwei junge Japanerinnen im Kimono, die geduldig unsere Frage anhörten, aufmerksam die Karte studierten und dann den berühmten „Space Out“ Blick bekamen. Um nicht bis zum nächsten Tag in verlegener Stille zu verharren, fragte ich noch einmal nach und erfuhr, dass auch die Japanerinnen Touristinnen waren. Und sie hatten sich offensichtlich hoffnungslos verlaufen, denn kaum waren wir weitergegangen, hefteten sie sich unaufdringlich mit ca. 50 Meter Abstand an uns. Ich fühlte mich wie ein stolzer Entenhäuptling , dem die Kücken folgen. Lag vielleicht auch daran, dass ich trotz Planlosigkeit unerschütterliche Zuversicht ausstrahlte: Ein Mann verirrt sich nie. Er wird nur gelegentlich von heimtückischen Ortswechseln seiner Umgebung überfallen.
Mit einem kleinen Umweg fanden wir dann auch die Strasse der Philosophen und folgten ihr ergriffen. Eine Erkenntnis jagte hier die nächste: ich erkenne, dass die Füße schmerzen. Wenn auf dem Philosophenweg keine Philosophen sind, ist es trotzdem heiß. Das Wasser fließt wie das Sein, aber im Moment hab ich einfach einen Mords Durst. Wenn ein Tourist in den Bach fällt, und keiner zieht ihn raus, ist er dann nass?
Für meine Frau war der schönste Moment dieses Weges wohl die Futterbuden beim Schrein. Wir waren bereits 5 Stunden unterwegs, und so stürzte sie sich auf alles, das essbar war. Besonders begeistert war sie von den eingelegten Gurken am Spieß. Die waren wirklich lecker und bei der Hitze genau das richtige, wenn auch in dem Aussehen etwas gewohnungsbeduerftig. Die Japaner vertilgen diese Gurken in Massen.
Nach einer gründlichen Wanderung durch den schönen Garten des Ginkakuji war die nächste Busfahrt zum Fluss fällig. Anscheinend sind Flussufer international genormte Entspannungsorte, da sich hier die Japaner vom Japaner sein erholten und wie ganz normale Menschen picknickten, spazieren gingen, schliefen, oder musizierten. Ja, musizierten. Im Gegenzug zu den unmotivierten Bongobummlern in Englischen Garten übten hier komplette Blechbläserensembles. Da liegt aber auch daran, dass üben zu Hause aufgrund der (nicht sprichwörtlich sondern wortwörtlich) Wände aus Papier schwer möglich ist.
Wir liessen uns in der Nähe eines größere Picknicks nieder und beobachten junge erwachsene Japaner beim Anbandeln. Das war wie eine Zeitreise in die Kindheit: es wurde Räuber und Gendarme gespielt, Völkerball, oder blinde Kuh, und immer wurde jede Gelegenheit genutzt, um einmal herzhaft „aus Versehen“ zuzupacken (die Männer) bzw. laut zu kichern und davonzulaufen (die Frauen). Entweder gibt es eine geheime weitere Stufe, wie da dann doch noch zeugungsfähige Paare daraus werden, oder der Japaner genießt die spaßigen Teile des Lebens und überlässt den Bevoelkerungserhalt geheimen unterirdischen Klonlabors. Ich tippe auf zweiteres.
Was nun folgte, ist mir aus der heutigen Sicht nicht ganz schlüssig: Nach dem Ausruhen am Fluss waren wir zumindest aus dem Tal des Elends in die Strasse der Erschöpfung eingebogen. Dennoch beschlossen wir, noch einen kleinen Abstecher durch den Park des Imperialen Palasts zu machen. Und kleiner Abstecher ist hier relativ: Abkürzungen sind nicht wirklich möglich, und der Park ist sehr weitflächig.
Die großzügige Gestaltung der Flächen dort übte einen zermürbenden Charme auf uns aus, da zumindest ich nur noch unendliche Kieswege sah. Meine Frau war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr wirklich ansprechbar, aber ich glaube, sie hat ihre letzten Reserven mobilisiert. Ihr „jetzt gehen wir aber schon langsam zurück ins Hotel“ ließ im Ton keinen Zweifel, dass dies eine Aussage und kein Diskussionsangebot war.
Ich bin schon sehr gespannt, wie sehr sie sich darüber freut, dass wir übermorgen noch die Insel Miyajima abklappern. Sie hat bei meiner Ankündigung, dass die Strecken bisher gegen den Berg dort kinderleichtes Aufwärmtraining waren mit einem strahlenden Lächeln reagiert. Also zumindest habe ich ihre Zähne gesehen. Das Busticket hat die Stadt übrigens nicht Arm gemacht. Wir haben es gerade so geschafft, genügend der überfüllten Busse zu nehmen, um nicht teurer als Einzelfahrten zu kommen. Das nächste Mal werde ich nicht versuchen, die perfekte Nutzung einer Tageskarte zu forcieren.