Gestern war noch ein Tag ganz im Dienste der Braut und der bevorstehenden Eheschliessung. Ist eigentlich schon jemandem aufgefallen, dass allein das gesamte Vokabluar einer Hochzeit sich klar auf die Frau konzentriert? Brautstrauß, Brauttisch, Brautvater – es braut sich bereits in der Sprache an, dass der männliche Part zwar beteiligt, aber nicht zwingend für den Vorgang des Heiratens ist.
Wer einmal gesehen hat, wie eine moderne selbstbewusste Frau von den Hochzeitshormonen überrollt wird (das wurde sogar vor kurzem in Fernsehen in einer Reportage berichtet, da muss es wahr sein!), und sich damit wie ein Schmetterling aus dem Kokon der Vernunft und Logik löst, der weiss in etwa, wie sich 1915 die Männer in den Schützengräben gefühlt haben. Es ist weniger das Erleben einer plötzlichen Naturgewalt, sondern eher ein spannendes „was kommt jetzt“ Event nach dem biblischen 7 Plagen Motto. Gut, es erweitert den Horizont, denn ich lerne jeden Tag, an was man alles nicht denken kann: Wie bekommt man den Sekt für das Standesamt kühl, wer fährt den, und wieso passt das schon wieder garantiert überhaupt nicht in den Zeit- und Fahrplan? Direkte Vorwürfe gibt es nicht, doch es schwingt immer der Unterton mit, dass der zukünftige Mann übernatürliche Kräfte hat, die er sträflicherweise nicht eingesetzt hat, um das vorherzusehen.
Entgegen dieser verzerrten Wahrnehmung, die ich Imogens Hochzeitshormonen zuschreibe, sehe ich mich in der Rolle als Mann und Beschützer eher in einer unauffälligen Position. Kristallkugeln waren im Hochzeitsladen ausverkauft, und deswegen handhabe ich das wie ein gemütlicher Straßenreiniger: Ich spaziere hinter dem weiblichen Planungswirbelsturm her und räume ohne große Worte die verbliebenen Probleme aus dem Weg.
So geschehen, als mir meine Mutter gestern ihr Outfit für das Standesamt gezeigt hat. Man muss dazu wissen, die Braut und ich haben das eher schlicht / nüchtern geplant, und meine Mutter zeigte mir ein aufwändiges Kleid in unscheinbarem Signalpink. Dieses Kleid war so schick, dass es Imogens armes, anthrazitfarbenes Kleid zum Frühstück verputzt und als kleine Stoff-Fetzen wieder ausgespuckt hätte. Und wenn dann die falsche Frau als Braut auf den Fotos identifiziert wird – am Ende sind wir alle Elstern – ist es keine Raktenwissenschaft, wer daran schuld ist: Der Mann, der das doch wirklich im Vorfeld hätte erkennen müssen. Das ist keine Frage der Logik oder von (nicht vorhandenem) modischem Verständnis, sondern schlicht und ergreifend ein Beweis für mangelnde Aufmerksamkeit, abzuleisten in wahlweise 27 Fussmassagen, 238 Komplimenten oder 37 Stunden kuscheln.
Wie dem auch sei, durch schieres Glück habe ich das noch rechtzeitig mitbekommen und nun kann Imogen auch am Standesamt Tag der strahlende Mittelpunkt sein. Die Lehre aus dieser Geschichte: Wir Männer mögen in unser Bier Grunzen, wenn nach der Blumendeko gefragt wird, vielleicht stürzen wir uns nicht freudestrahlend in stundenlange Einkaufsbummel, aber als stille, unaufdringliche Schutzengel sind wir doch immer für unsere lieben Frauen da!
Der Mann – unaufdringlicher Schutzengel
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