Der erste Abend in Tokio – Karaoke Time!!!

Die Japaner haben eine ganz besondere Verbindung zu Ihrem Karaoke. Wo man bei uns in Discos oder Clubs geht (die es natürlich auch in Tokio gibt), nehmen die Japaner noch eine Option C) wahr, die es bei uns nicht gibt. Nach einer Metrofahrt nach Shinyuku (neben Shibuya einer der Stadtteile, in denen das Nachtleben brummt) ging es erst einmal in ein kleines Lokal. Bei den meisten (erschwinglichen) Restaurants werden im Schaufenster die Gerichte als Plastik Attrappen ausgestellt. so das an schon genau weiss, wie das später am Teller aussieht. Die Köche geben sich immer höchste Mühe, dass das Endgericht genauso aussieht wie das im Schaufenster. Direkt am Eingang gibt es dann entsprechend auch oft einen Automaten, an dem man sein Essen bezahlt, und mit dem dort erworbenen Coupon holt man sich bei der Küche sein Futter ab.


Sogar das Bestellen im Restaurant machen die Japaner gern per Automat.

Das Essen war bisher übrigens wirklich oishi (lecker), und wenn man die typischen Touristenfallen meidet, gibt’s ein „Setto“ mit einer Reis-Fleisch/Fisch Schüssel, einer Suppe und Tee oder Wasser schon ab 450-600 yen (3-4 €!!!). Nach dem Essen gings dann durch die extrem bunten Straßen und Gassen Shinyukus zum Karaoke Club. Japaner lieben es möglichst knallig bunt, und wer denkt, dass sie sich bei den Gebäuden ausgetobt haben, der irrt. Ein Epileptiker kann sich durch diese Welt gleich auf dem Boden durchrollen, denn wenn ihm die Reklametafeln nicht den Rest geben, dann die Mode.


Überall blinkts und glitzerts – ein Volk von Elstern

Japaner mögen Gaijin eh nicht sehr gerne, und noch unerfreuter sind sie, wenn man sie fotografiert. Das ist ganz gut so, denn ich wäre aus dem Knipsen nicht mehr rausgekommen, da die Nachtschwärmer in Tokio wie ein gewaltiger Maskenball sind. Es gibt zehntausend Stile, und gerade bei den Frauen kennt die Fantasie keine Grenzen. Vom brutalrosa Disneyoutfit samt Mikeymaus-Strapsen über mittelalterliche Corsagen bis hin zu futuristischen Plastikklamotten tragen die alles. Der beliebteste Kleidungsstil bei den Frauen ist aber der „Billig und Willig“ Typ. Das heißt nicht mal, das sie leichte Mädchen wären. Im Gegenteil, selbst einem zufälligen Blickkontakt wird die Hand vor den Mund gehalten, japanische Zeichensprache für ‚Das ist mit peinlich, schau weg!‘.


Leider sind Gebäude hier viel leichter zum Fotografieren als Menschen. Die hechten wie Stuntmen aus dem Kamerafeld.

Aber mit der für die Japaner so liebenswürdigen Art wurde versucht, das Prinzip Moderne weibliche Mode zu importieren. Denn: Im Land der aufgehenden Sonne versteht man keine Ironie oder Sarkasmus. Die können damit nichts anfangen und schauen einen bei entsprechenden Kommentaren mit großen Augen an.

Auf jeden Fall tragen die Frauen gewissenhaft hochhackige Schuhe, extrem kurze Röcke und da die Kniestrümpfe Pflicht sind, werden die halt in Farben wie Neonblau gewählt. Das Resultat ist aber nicht weiblich sondern verleitet eher zur Suche nach dem Preisschild, die man aber gleich wieder lässt, wenn die Frauen sich zur Begrüßung an den Händen fassen und wie quietschende Gummibälle auf und ab Hüpfen.

Ganz zu schweigen von einem anderen Phänomen, das ich noch nicht endgültig klären konnte: Japanische Frauen haben die Füsse immer im 30° Winkel nach innen gestellt. Ob das Kulturell ist, vom falschen Sitzen kommt oder weil das Keuschheit symbolisieren soll, es sieht auf jeden Fall sehr merkwürdig ist. Davon abgesehen würde ein Lauftrainer hier stinkreich werden, weil die Frauen in ihren hohen Schuhen überhaupt nicht laufen können.

Nun gut, soviel zu einem kurzen Exkurs in die Tokioter Modewelt. Vor dem Club trafen wir dann unsere Gruppe: Ein befreundetes Pärchen aus München, das zur Zeit in Japan arbeitet, der Amerikaner, der bei uns nebenan wohnt und drei Japanerinnen, mit denen das Pärchen bzw. mein Gastgeber befreundet waren. Gemeinsam ging es dann ins Karaokezimmer, einen kleinen Raum mit großem Bildschirm und der hochentwickelten Karaokeanlage. Man bucht diese Räume nach Stunden und ist dort völlig unter sich. Im Preis ist auch Bier und Tee in beliebiger Menge enthalten, das wird nachgeliefert solang es getrunken wird. Da das japanische Bier schmackhaft, aber sehr schwach ist (ca. 2%), kann man auch etwas mehr trinken, ohne das am Ende alle total zugedröhnt sind.


Eine klassische Karaoke Zelle, perfekter Ort für Privatparties

Das ist übrigens ein sehr kostengünstiges Vergnügen, wir waren von 23:00 bis sechs Uhr Morgens drin, und haben pro Nase 3000 yen gelassen (ca. 20€). Nach ein wenig Aufwärmen und den ersten paar Runden Bier, zu dem man sich mit einem „KANPAAAAAAAAIIII!“ prostet, ging es dann zur Sache. Neben zwei Mikrophonen (Man singt meistens zu zweit weils lustiger ist) bekommt man auch drei Schellen, so dass eigentlich der Großteil der Runde mit Musizieren beschäftigt ist, während der Rest mitsingt, tanzt oder mit „Ganbatte!“ (Sei Stark) anfeuert, wenn sich jemand ein Lied ausgesucht hat, das er GAR nicht kann. Nach gut einer Stunde ist die Stimmung bereits genial, und wir hatten durchgehend bis sechs Uhr Morgens einen Höllenspass.


Ganbatte!!!!!!!!!!!!!!!!

Besonders abgedreht war Mizuki’s Freundin, eine winzige Japanerin und eine totale Rockröhre. Wenn sie einmal den Text nicht kannte, wurde einfach nonsens genuschelt, was streckenweise zum Schreien komisch war. Leider ist auch der größte Spass irgendwann vorbei, also gings dann bei frischem Tageslicht ab nach Hause. Nach 43 Stunden habe ich mich dann SEHR aufs Bett gefreut.


Müde, Müde, Müde – mein erster Morgen in Tokio.

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