Aus dem Fischmarkt wurde heute leider nichts, da wir hoffnungslos verschlafen haben. Erst gegen Mittags nach ausführlicher Plünderung des Kaffees in der Hotel Lobby sind wir wie zwei verliebte Zombies Richtung Yoyogi Park getrappst, um meiner Frau den ersten Fix fernöstlicher Ästhetik und Spiritualität zu geben. Das klingt jetzt zynischer als es gemeint ist, aber der Tag war lang, die Engländer lärmen immer noch (reicht denen nicht, dass sie unser Championsleague finale versaut haben?), und ein müder Stefan ist, wie die Briten es sagen wurden, „a nasty bitch“. Immi hat sich eine Votivtafel besorgt, und etwas bestimmt so liebenswertes und sonniges darauf geschrieben, wie ich es nach einer schlaflosen Nacht bestimmt nicht hinbekommen hätte.
Botschaft geheim aber garantiert lieb. Dafür hat man eine Frau, ginge es nach den Tafeln der Männer, wäre der FCB jetzt mit Pott und dafür ein paar Landstriche entvölkert.
Aber jetzt will ich doch eher mal die positiven Dinge sehen. Das Wetter hat sich brav gebessert, auch heute beim zu Bett gehen haben weder ich noch meine Frau Grün geleuchtet, und Imogen hat erfolgreichen einen klassischen Stefan-Sightseeing Tag überstanden. Im entspannten Stechschritt wurde der gesamte Meji Schrein und Yoyogi Park durchmessen, gefolgt von einer großzügigen Erholungspause von 15 Minuten auf einer Parkbank. Bei dem schönen Wetter haben sogar die Japaner wieder so viel Hoffnung getankt, um nebeneinander im Grass zu sitzen, oder in Extremfällen sogar Händchen zu halten. Ganbatte liebe kleine Freunde, nichts ist schöner als ein neues Leben in radioaktiver Wüste, und zwei schreiende Münder sind viel schneller still, wenn sie nur zu einem Magen gehören.
Aufkeimende Hoffnung im Land der Vulkane. Hier hat die Liebe eine strahlende Zukunft
Nein aber jetzt mal im ernst: ich finde Japan und Tokyo bisher wie beim ersten Mal wunderschön, und fühle mich schon wieder fast heimisch. Allein der Enthusiasmus, mit dem die Jugendlichen im Park die Tanzkoreographien ihrer Lieblingsbands einstudiert haben, war ansteckend. Wenn ich nicht als unheimlicher Gaijin sofort in den Knast kommen würde, haette ich versucht, da mit zu üben, das sah schon sehr professionell aus.
So schoen grün ist es in Japan. Die Tänzer müsst ihr euch vorstellen, die wollte ich nicht so aufdringlich ablichten. Ein Königreich für ein Teleobjektiv!
Aber ich denke, dass Gefängnis am dritte Tag der Flitterwochen eine frische Ehe doch eher etwas über Gebühr belasten wuerde. Zu diesen Bands selbst kann man leider bis auf die Koreographien nix Gutes sagen, musikalisch ist es grenzwertiger JapanPop und je nach Geschlecht hat man entweder abgehungerte Pseudo-Namba Hengste (was Namba ist, konntet ihr bei meiner ersten Reise lernen) oder eine kichernde Gruppe von Mädchen in Bikinis, deren Alter hierzulande das LKA Sturm laufen lassen wuerde. Aber lasst die Knüppel im Schrank liegen, denn die Japanerin von Chick ist 40 Jahre alt und sieht aus wie eine 15-Jährige, die sich auf 20 hochgeschminkt hat.
Nach einem schönen gemeinsamen Selbstportrait auf der Parkbank ging es weiter nach Shibuya, wo ich mich gleich wieder im schönsten „Lost in translation“ Gefühl wiederfand. Es ist sehr spannend, wieder an die Orte zurück zu kehren, die so viele Eindrücke geliefert haben, und das vor allem zusammen mit jemandem, durch dessen Augen man alles noch einmal neu entdeckt. So hat Imogen ein hervorragendes Auge für Mode, und fühlt sich neben den todschicken Tokyo Frauen in ihrer Touristenkluft etwas unfein. Da fehlen ihr aber die liebenden Augen eines Ehemannes, denn Kleider machen Leute, aber keine Frauen. Und bei denen gibt es primäre Erkennungsmerkmale, die meine Frau in mir erfreuender Weise erfüllt und todschicke aber zaundürre Japanerinnen eben nicht. Von den vielen anderen Gründen, warum ich meine Frau auch über die Eheschließung hinaus liebe, einmal ganz zu schweigen. Aber das ist kein Japan – Spezifisches Thema und wird somit ausgelassen. Aber es ist auf jeden Fall für Imogen und mich ein tolles Erlebnis, eine so große Reise gemeinsam zu machen
Sind schließlich zusammen in Flitterwochen also 1 2 – aaaaaaah
Irgendwann war dann selbst die nahezu unerschütterliche Unternehmungsfreude meiner Frau schwer durch Hunger geschwächt. Das mag jetzt unpassend klingen, aber als wir im Park beim Hundespielplatz standen, wo die Vierbeiner wie verrückt getollt haben, musste ich Imogen mit einem verliebten Schmunzeln anschauen. Denn sie hatte den gleichen überschäumend begeisterten Blick wie die besten Freunde des Menschen dort. Und auch so ein Reisetag hat da durchaus seine Analogien: Die Unruhe und das an-der-Türe scharren vor dem Aufbrechen, das fröhliche Umherlaufen, dann der Einbruch wenn der Hunger kommt und dieser dankbare Blick, wenn dann der Napf auf dem Tisch steht.
Ente gut, alles gut. Auch wenn’s Rind und keine Ente war.
Anschließend ging es noch zum Tokyo Tower, wo wir versucht haben, Tokyo bei Nacht zu fotografieren. Im Nachinein muss ich zugeben, dass ich die romantische Stimmung doch lieber mehr mit meiner Frau als mit Blende und Belichtungszeit geteilt hätte, aber wenn mich da erst einmal der Ehrgeiz packt… So richtig bewusst wurde es mir leider erst, als wir aufgefordert wurden, doch bitte mit dem letzten Fahrstuhl nach unten zu fahren, und der Angestellte zwei bezaubernd schüchterne japanische Paare aus den Ecken gekratzt hat. Wie dem auch sei, dafür gibts noch ein paar Versuche in Tokio-Nachtfotos. Im Übrigen habe ich eine hoffentlich jetzt für alle sichtbare Gallerie gebastelt, der Link ist rechts oben der erste bei „Blogroll“. Die Gallerie enthält eine bereits leicht vorsortierte Auswahl und sozusagen Bonusmaterial. Heute zum Beispiel unter anderem ein kurzes Video, wo Imogen versucht, es den Japanern beim Suppe schlürfen gleich zu tun. Jetzt aber werde ich erst einmal versuchen zu schlafen, und Morgen das Programm etwas entzerren. Schließlich sollen es ja Flitterwochen und keine Folterwochen werden.