Jetzt würde ich ja gerne mit einer Vielzahl der atemberaubendsten Eindrücke und herzergreifend schönen Landschaftsfotos meine heroische Besteigung des Fuji dokumentieren. Aber dafür haben wir einfach die falsche Zeit erwischt. Da man einem Reiseführer ja nicht blind glauben muss, machten wir uns trotzdem mal auf den Weg zum Berg.
Das optische Highlight gab es eigentlich gleich zum Anfang: Am Fuß des Berges liegt ein imposanter Schrein, der in einem Wald aus gigantischen Kiefern (oder Kiefernartig, ich bin kein Botaniker) ruht.
Die heiligen Bäume des Schreins können zwar keine Redwood Eichen schlagen, aber groß sind sie allemal.
Von der herrlichen Tempelanlage angestachelt marschierten wir zügig zum offiziellen Wanderweg, der für die Bergbezwinger mit rosa Schleifen an den wenigen Kreuzungen markiert ist. Dieser Weg ist bestimmt wunderschön, wenn der Mischwald, durch den er sich schlängelt, belaubt ist, aber so ging es ziemlich unspektakulär über rostfarbenes Laub an braunen Baumskeletten vorbei.
Wenn man den Fuji besteigt, hat man drei Phasen. In der ersten Phase geht es durch einen im Hochsommer bestimmt sehenswerten Mischwald, immer leicht bergauf. Der Wald ist selbst ohne Laub leider zu dicht, um Seufzer ob eines schönen Ausblicks ausstoßen zu können. Ich hatte mir in meiner Phantasie einen weiten Blick über die geschwungene Landschaft zu den Füßen des mächtigen Fuji ausgemalt und ganz aufgeregt die ganze Nacht ergriffene Aaaahs und Oooohs geübt (lassen wir an dieser Stelle lieber stehen was sich die anderen im Raum bei den Geräuschen gedacht haben), und habe nicht ein einziges Mal einen freien Blick vom Fuji nach unten gehabt.
Phase 2 beginnt nach ca. 8 Kilometern mit Stufen, die zu einem von zwei Affenstatuen flankierten Tor führen. Hinter dem Tor wird der Anstieg wesentlich steiler, und führt in 5 Etappen den Berg hinauf.
Hat man die ersten 5 Etappen überwunden, an deren Ende jeweils eine kleine Station steht, landet man bei der größten Station. Diese wird auch als das Tor zwischen Himmel und Erde bezeichnet. Dort gibt es auch eine Möglichkeit, einen Bus zum Tal zu nehmen. Nach dieser Stelle beginnt die dritte Phase, ein steiler Aufstieg bis zum Gipfel des Fuji in 5 weiteren Etappen. Ab dieser Stelle hört die Bewaldung, die einem sonst den Blick ins Tal verwehrt, auf, und man kann sicherlich eine weitläufige Aussicht genießen.
Hier war für mich Schluss, da die Schneedecke immer trügerischer und rutschiger wurde. Von der Wirkung der Kälte auf meinen Husten einmal ganz abgesehen.
All das war mir nicht vergönnt. Auf 1520 Meter musste ich umdrehen, da der Weg immer schwieriger wurde und meine Erkältung sich immer stärker bemerkbar machte. Da Max und Andi noch weiter wollten (Sie haben es aber auch nur bis Etappe 3 geschafft, dann war der Schnee hüfthoch), machte ich mich allein auf den Rückweg. Und da hatte ich es, mein sagenhaftes Fuji-Erlebnis. Die Sonne zog vorsichtig ihren Kopf aus den Wolken, zwischen meinen langsamen Schritten ertönte das Zwitschern unzähliger Singvögel, und an einen Baum gelehnt wartete ein mannshoher Stock darauf, mir als Wanderstab zu dienen.
Der folgende Marsch von 3 Stunden war sehr ruhig, und meinen Stab schwingend schlenderte ich den Berg hinunter und genoss den Frieden um mich herum. Es ist toll, einfach mal nichts zu machen außer den Boden unter seinen Sohlen zu fühlen, das Klacken seines Stabs auf dem Weg zu hören und die Gedanken treiben zu lassen. Als ich am Ende im Tal angekommen war, opferte ich im Schrein eine 5-Yen Münze für den Stock, das mir Gesellschaft geleistet hatte, und stellte ihn neben die Statue eines Wanderers. Tja, und das war mein Fuji. Keine tollen postkartentauglichen Bilder, kein „Ich war bei Sonnenuntergang am Gipfel“ Erlebnis, kein einziger freier Blick ins Tal zum Schmelzen, aber dafür meine ganz persönliche und besinnliche Fuji-Erfahrung.