Nach den Ausschweifungen der letzten Tage mussten die Pfunde wieder runter, und so ging es heute nach Himeji. In dieser Ortschaft befindet sich die Burg des weißen Reihers, die bekannteste ihrer Art in Japan. Dies liegt vor allem daran, dass dieses Gebäude als einziges über die Jahrhunderte nicht niedergebrannt, zerbombt oder von einem Erdbeben zerlegt wurde. Als Japan 1992 die Vereinbarung zu Unesco Welterbe Abkommen unterzeichnete, wurde Himeji Castle 1993 als erstes Gebäude Japans ins kulturelle Welterbe aufgenommen.
Die Burg des weißen Reihers, musste noch nie neu aufgebaut werden, was in Japan höchsten Seltenheitswert hat.
Das allererste Fort wurde 1333 errichtet, und – ich habe brav die Broschüre gelesen – der heute sichtbare Bau wurde 1618 fertig gestellt. Man kann es übrigens nicht verfehlen, da die Stadt an jeder der 9 Straßenkreuzungen Personal aufgestellt hat, das einen freundlich auf die Burg hinweist, die schon vom Bahnhof aus am Horizont zu sehen ist.
In Japan gibt es jede Menge solcher Herumsteher-Jobs. Die Arbeitslosigkeit wird damit niedrig gehalten, dass Millionen von Japanern in mehr oder weniger lächerlichen Uniformen auf der Straße stehen und ein Schild festhalten. Auch häufig sind Parkhaus-Einweiser, die mit Lichtschwert-ähnlichen Stäben Autos in Parkhäuser lotsen. Die Besten gibt es in Shibuya in Tokio, da sie schon beinahe bühnenreife Gespräche führen, während sie auf das nächste Auto warten.
Eine große Geißel in Japan ist Feuer. Da die meisten traditionellen Gebäude, Paläste und Tempel zum Großteil aus Holz bestehen, genügt ein Funke, um ein jahrhunderte altes Erbe in Flammen aufgehen zu lassen. Viele Schreine sind über 1000 Jahre alt, und haben in einer Ecke ein kleines verschämtes Schild, dass der Original-Schrein vor 800, 450 und 327 Jahren abgefackelt ist, und das aktuelle Gebäude 1923 mit traditionellem Werkzeug wieder aufgebaut wurde. Beim Schloss des weißen Reihers gab es ebenfalls eine riesige Bronzetafel, auf welcher der sagenhafte Außenpalast gerühmt wurde. Man sah schon förmlich die prachtvollen Bauten, bis man zum vorletzten Satz kam, der lapidar verkündete, dass alles vor 100 Jahren einem Brand zum Opfer fiel. Anschließend hieß es "Schuhe aus!", und wir durften die westlichen Unterkünfte der Burg betreten.
In diesem Gang liegen die Frauenquartiere, die mit einer massiven Tür abgeriegelt und streng bewacht wurden.
Dort schlurft man auf seinen Socken über das weiche, über Jahrhunderte von ungezählten Füßen geschliffene Holz. Die Gänge sind für einen solchen Bau verhältnismäßig hell, und es riecht herrlich nach uralten Balken. Davon gibt es sehr viele, da der Hauptbau über 5000 Tonnen wiegt, die über ein ausgefeiltes Gerüst so verteilt werden, dass die Festung selbst Erdbeben stand hält. Überhaupt ist die Architektur hoch interessant, da die Mauern einerseits das Gewicht der Burg ausbalancieren, andererseits aber extrem tückisch zu besteigen sind, da die Mauern zur Spitze hin nach außen geneigt sind.
Einer der Fürsten, die über diese Festung herrschten, hat eine hochrangige Prinzessin vom Kaiserhof geheiratet. Da das Gebäude eigentlich eine übergroße Waffenkammer mit Verteidigungsanlagen war, wurde ein Turm mit Gemächern eingerichet, die einer edlen Dame angemessen waren. Die Prinzessin, die eine leidenschaftliche Raucherin war (kein Wunder, dass denen ständig ihre kulturellen Schätze abbrennen), ließ es sich hier gut gehen und führte angeblich ein ausgesprochen glückliches Leben.
Die Gemächer der Prinzessin samt aufgestellten Puppen, um dem Besucher ein anschaulicheres Bild zu geben.
Im Gegensatz zu den meisten Tempeln, Palästen und Museen ist das Fotografieren in Himeji uneingeschränkt erlaubt. Leider neigen Japaner dazu, ihre berühmten Sehenswürdigkeiten in wahren Menschenmassen heimzusuchen. Deshalb ist es sehr schwierig, ein Foto ohne Touristen zu bekommen.
Bis hier niemand mehr entlang kam, musste ich 20 Minuten warten. Bitte das Bild angemessen würdigen.
Die zentrale Festung konnte man über alle 6 Stockwerke besichtigen. Eindrucksvoll waren die zahllosen Halterungen für Waffen. Diese Burg war wirklich schwer befestigt und strotzte geradezu vor Material. In den oberen Stockwerken sind geschickt versteckte winzige Kammern, die von Innen mit einer Holzklappe verschlossen werden konnten, und den Kriegern für Hinterhalte dienten.
Alle Wände wurden als Waffenlager verwendet. Im obersten Stockwerk befindet sich ein Shinto-Schrein, der einem tapferen Schwertkämpfer gewidmet ist, der angeblich einen bösen Geist aus der Burg vertrieben hat.
Nach der Burg ging es noch in die Stadtgärten, die wie immer zum ausgedehnten Wandern einluden. Dieser Garten beherbergt einen der schönsten und größten Teiche mit Koi-Karpfen in Japan.
Wir trugen auch zur Unterhaltung der Japaner bei, als wir auf ein interessantes Motiv kamen: Normal lassen sich alle Touristen auf der Hauptbrücke ablichten. Es gibt dort aber einen Baum, der die perfekte Höhe hat, um einen Kopflos zu machen.
Die digitale Kamera ist eine sehr praktische Erfindung, da dieser Garten voller "SUGOI!" Stellen war. Hier noch ein paar Bilder:
Der winzige Bonsai links von meinem Kopf ist 30 Jahre alt. Laut der Gärtnerin hat er sogar im Januar Geburtstag.
Morgen geht es dann zur letzten gemeinsamen Station: Wir werden nach Hiroshima reisen und uns die Museen zur Atombombe ansehen. Bei allem Vergnügen ist das ein schlimmes Kapitel aus der Geschichte, das man ebenso mitnehmen sollte wie die zauberhaften Gärten und besinnlichen Tempel.